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69. Die fromme Magd.
1. Die fromme Magd von rechtem
Stand
Geht ihrer Frauen fein zur Hand,
Hält Schüssel, Tisch und Teller weiß
Zu ihrem und der Frauen Preis.
3. Sie ist stets munter, hurtig, frisch.
Vollbringet ihr Geschäfte risch.
Und hälts der Frauen wohl zu gut.
Wenn sie um Schaden reden thut.
2. Sie tragt und bringt nicht neue
Mär,
Geht still in ihrer Arbeit her,
Ist treu und eines keuschen Muths
Und thut den Kindern alles Guts.
4. Sie hat dazu ein fein Gebärd,
Hält'alles sauber an dem Herd,
Verwahrt das Feuer und das Licht,
Und schlummert in der Kirche nicht.
76. Die Großmutter entläßt ihren Enkel zur Wanderschaft.
Äie Großmutter führte ihren lieben Jakob, als sie gegessen
hatten-, in die Kammer, in welcher an der Wand die Felleisen hin¬
gen; auf dem Tische stand das neue, drum herum lag, was ein¬
gepackt werden sollte. Als alte Frau Meisterin und viel erfahren
in solchen Dingen, packte sie das Felleisen, damit er lerne, wie der
Platz am besten benutzt, die Kleider am meisten geschont, die Last
am leichtesten getragen werde. Als es gepackt und zugeschnallt
war, legte sie die Hand auf dasselbe und sprach: „Sieh, liebes
Kind, dort an der Wand hangen drei Felleisen; deine Väter trugen
sie mit Ehren durch die Welt, brachten mit Ehren sie heim und be¬
wahrten sie in Ehren zum Gedenken für Kinder und Kindeskinder.
Sieh, hier ist dein Felleisen, das vierte soll es werden in der Reihe;
dort steckt in der Wand bereits die Schraube, an welcher es hangen
soll. Wahre nun dasselbe in Ehren und bringe es heim, wie deine
Väter, zum Gedenken deiner Kinder und Kindeskinder. So lange
du ein Felleisen trägst, bist du ein ehrenwerther Geselle; trägst du die
Trümmer deiner Habe in einem Tuche umher, dann bist du ein Vaga¬
bund und Bettler, und vor solchem Zustande möge Gott dich bewahren.
Was deine Väter vor diesem Zustande bewahrte, das möge auch
dich davor bewahren. Vergiß des Morgens und des Abends das
Beten nicht; schaffe sechs Tage im Schweiße dein Brot, den siebenten
aber heilige deinem Schöpfer. So du Arbeit findest, verschmähe
sie nicht; ein Geselle, der Arbeit verschmäht, ist wie ein Bettler, der
Brot neben die Straße wirft. Die kleinste Arbeit schaffe, als sei
sie dein Meisterstück, rasch und gut; ehre den Meister und die
Meisterin; meide Spiel und Trunk; sorge, daß, wo du gewesen,
du wieder hindarfst, daß nie Flüche dich verfolgen, der Segen
frommer Menschen dein Geleite ist." — So sprach langsam und in
Absätzen die Großmutter; das Herz des jungen Gesellen ward guter
Vorsätze voll. Darauf faltete die Großmutter die Hände und betete:
„Auch du, mein Herr und mein Gott, sei mit meinem Kinde auf
allen seinen Wegen und Stegen; drücke du am Abend ihm die
Augen zu, am Morgen wecke ou es wieder; in deine Hände befehle
ich es mit Leib und Seele. Führe uns wieder zusammen, o Herr,
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