— 118 — 
und in die Heimat zurückkehren. Die Fürsten hofften, durch einen 
1° mutlosen Antrag würde die Kampflust des Heeres nur desto mehr 
angefacht werden. 
. Aber sie hatten sich getäuscht. Kaum sprach Agamemnon von 
der Rückkehr m die Heimat, wo Weiber und Kinder der Helden 
warteten, als das ganze Heer in hellen Jubel ausbrach. Alle stürzten 
zu den Schiffen, um sie ins Meer zu ziehen und zur Abfahrt bereit 
zu stellen. 
Da gab die Göttin Athene dem Odysseus Mut in das Herz 
daß er sich der Menge entgegenstellte und sie durch ernste Worte auf 
den Versammlunbsplatz zurücktrieb. „Haltet ihr so euer Wort" 
sprach er, „daß ihr nicht eher von dannen ziehen wolltet, als bis 
ihr Troja vertilgt hättet? Hat nicht der Seher Kalchas verheißen, 
daß dies im zehnten Jahre geschehen werde? So harret doch noch 
etne kleine Weile hier aus, ihr tapfern Griechen: der Tag des aroßen 
Sieges ist uns nicht mehr fern." 
Auch der greise Held Nestor ermahnte dringend zum Dableiben 
„Fuhre uns nur mutig in den Kampf," rief er dem Agamemnon 
zu, „wir wollen dir freudig folgen. Wer aber heimsegeln will, der 
mag es thun; wir wollen keinen Feigling hier zurückhalten." 
Durch diese Reden ward die Stimmung des Volkes ganz um¬ 
gewandelt. Alle jauchzten auf in neuer Kampfbegier. Stamm für 
Stamm ordneten sie sich um ihre Fürsten, und freudig zogen sie 
hinaus auf das Schlachtfeld. Wie im Feuerglanze leuchtete die 
('■bene weithin von ihren funkelnden Waffen. 
Als die Trojaner Kunde von dem heranziehenden Heere erhielten, 
eilten auch sie zu den Waffen. In dichten Scharen strömten sie aus 
den geöffneten Thoren. Draußen ordnete Hektor, des Priamos tapferer 
Sohn, die Reihen zur Schlacht. Dann rückten sie mit lautem Kampf¬ 
geschrei den Griechen entgegen. 
6. Als beide Heere einander nahe gegenüber standen, trat ans 
den Reihen der Trojaner der schöne Paris hervor. Er war mit 
einem bunten Pantherfell bekleidet, auf der Schulter hing ihm der 
Bogen, an der Seite das Schwert, und zwei Lanzen schwenkte er 
hoch in die Luft. Kecken Mutes forderte er den tapfersten der 
Griechen zum Zweikampf heraus. — Als Menelaus das hörte, 
freute er sich wie ein hungriger Löwe, der die erwünschte Beute er¬ 
blickte. Schnell sprang er in voller Rüstung von seinem Streit¬ 
wagen zur Erde herab, an dem frevelhaften Räuber feines Weibes 
Rache zu nehmen. Paris erbleichte vor Schrecken. Als hätte er 
eine giftige Natter erblickt, fuhr er zurück und verbarg sich im dichtesten 
Gedränge seiner Genossen. 
Hektor schalt den Bruder mit ernsten Worten: „Unseliger Paris, 
nur von Gestalt ein Held, in Wahrheit aber nichts als ein Weiber¬ 
geck und trügerischer Verführer! Wärest du lieber gestorben, ehe du 
io viel Unglück über deine Landsleute bringen konntest! Sieh nur, 
wie die Feinde dich Feigling verlachen! Wahrlich, du würdest kein 
Mitleid verdienen, wenn du, von Menelaos niedergehauen, dich auf 
dem Boden wälztest und der Staub deine schöne Gestalt und dein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.