Full text: Badisches Realienbuch

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aus seinem großen Lande mit den verschiedenartigsten Bewohnern — Deutsche, 
Slaven, Ungarn — einen deutschen Einheitsstaat zu machen. In allen Teilen 
seines Landes wollte er gleiche Steuern, gleiche Gesetze und einheitliche Rechts¬ 
pflege durchführen. Allein er unternahm zu viel auf einmal; er ging zu schnell 
und gewalttätig vor, sodaß Friedrich der Große von ihm sagte, er mache den 
zweiten Schritt vor dem ersten. Darum mußte er fast alle seine Entwürfe scheitern 
sehen. Schmerzgebeugt starb dieser wahre Wohltäter und edle Menschenfreund 
im Alter von 49 Zähren. 
Zum Nachdenken und Üben. 1. Suche im Atlas die Kronländer auf! 2. Welches 
ist das vorherrschende Volk in den Kronländern? 3. Stelle fest, was für Völker in den 
übrigen Teilen des Landes wohnen! 4. Wieviel Hauptsprachen werden in der Donaumonarchie 
gesprochen? 5. Welches ist ivohl die Heeressprache? 6. Erfrage, ob das Land heute ein¬ 
heitliche Sprache und Gesetze hat! 7. Gib an, zu welchen Völkerrassen die Bewohner Österreich- 
Ungarns gehöreil! 8. Welche Geschichte im Lesebuch erinnert an Joseph I!.? 
31. Markgraf Karl Friedrich. 
Was der große Friedrich für Preußen war, das war der Markgraf Karl Friedrich für 
Baden: Der erste Diener des Staates, der das Glück des Regenten im Wohlergehen des 
Landes suchte. 
1. Seine Fugend und Vorbereitungszeit. Unter der Fürsorge seiner fürstlichen Gro߬ 
mutter wuchs der früh verwaiste Prinz in Durlach heran. Als im Fahre 1738 sein Großvater, 
der Markgraf Karl Wilhelin, starb, wurde der kaum zehnjährige markgräfliche Prinz sein 
Nachfolger. Doch übernahm er erst uad) seinem achtzehnten Lebensjahr die Regierung des 
Landes. Fnzwisäien hatte Karl Friedrich zu seiner weitereir Ausbildung Frankreich, Holland, 
England und Ottilien besucht. Mit reicher Erfahrung heimgekehrt, suchte er seine Kenntnisse 
zum Wöhle seines Landes zu verwenden. Seine landesväterliche Fürsorge galt allen Zweigen 
der Staatsverwaltung lind allen Untertanen ohile Unterschied der Religioil. Das hat am besten 
die katholische Markgrasschaft Baden-Baden erfahren, die nach denl Tode ihres Fürsten 1771 
ail Baden-Durlach fiel. 
2. Seine Fürsorge für das staatliche Leben. Die erste Forderung zum Gedeiheil eines 
Staatswesens ist Ruhe, Sicherheit und Ordinulg. Die vielen Kriege machten das Land roh 
liild zuchtlos; Verbrecher und Räuber trieben auf der Landstraße lind in den Wäldern ihr 
Unwesen, die Gerichtsbarkeit ivar unsicher und in ihren Strafen grausam und unmenschlich. 
Der Verbrecher ivlirde entweder in ein unterirdisches Gefängnis geworfen, gebrandmarkt oder 
über den Block gespannt. Der menschenfreundliche Fürst verbot „das Mittel der peinlid)en 
Marter" und schaffte im Fahre 1767 die Folter ab. Das Gefängniswesen wlirde verbessert 
und die Strafgefangenen von ben Waisen, Siechen lind Geisteskranken getrennt. Arme nnb 
Notleidende fanden in musterhaft eingerichteten Armen- lind Waisenhäusern Aufnahiile und 
Pflege. Brandgeschädigten ivollte der Markgraf dlirch Gründung von Feuerversicherungen 
helfeir. Die Gemeinden erhielten eine nelie Geineindeordnung und durften ihren Bürgermeister 
selbst wählen. Daiilit war der Ailfang der Selbstverivaltung gemacht. Um das Volk zur 
Sparsamkeit anzuhalten, verbot er die übertriebene Pracht der Kleider uild die übermäßigen 
Aiisgabeil bei Familienfesten. Durch Einschränkung der Feiertage und durch Errichtung von 
Sparkassen suchte der weise Fürst den Wohlstaild seiner Untertanen zu hebeil. Wer dem 
Trünke unb dein Müßiggänge sich ergab, kam unter polizeiliche Aufsicht. Karl Friedrich selbst 
war ein Muster der Einfachheit lind Sparsamkeit. 
3. Seine Fürsorge für das wirtschaftliche Leben, a) Landwirtschaft. Der Landwirt¬ 
schaft gehörte vor allem sein Herz, denn er glaubte, daß eine vorteilhafte Ausnützung des 
Ackerbodens die Haiiptquelle des Volksreichtums sei. Mehr als 9000 Morgen Ödland wurden 
damals in Kulturland umgewandelt. Dabei griff er auch selbst zu, zeigte hier einem unge¬ 
schickten Bäuerlein die Handhabung des Pflliges, da einem wißbegierigen Landmann die Be¬ 
stellung des Kartoffel- und Tabakfeldes, belehrte dort das Volk über die Ailpflanzling besserer 
Obst- uild Rebsorten. Er förderte ben Anbau von Runkelrüben, Welschkorn, Krapp uild ver¬ 
edelte den Flaä)sbali. Dlirch Einführuilg neuer Futterpflanzen beseitigte er die Dreifelder¬ 
wirtschaft. Zlir Hebung der Viehzucht ließ er alis dein Alislande edle Tierrassen kommen iind 
errichtete Tierzuchtanstalteil. Der Markgraf selbst hatte im Lailde eigeile Musterwirtschaften
	        
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