— 9 — III
von allen anderen Vögeln. Die Taube brütet während eines Jahres wohl drei—
bis sechsmal und jedesmal ein Paar aus. Das Fleisch der Jungen ist sehr
wohlschmeckend und leicht verdaulich, weshalb es Kranken verordnet wird.
2. Sinnesart. Schon seit alten Zeiten gilt die Taube als Bote des
Friedens. (Sündflut.) Gern sitzt sie mit ihresgleichen gesellig auf dem Dache
und läßt hier ihr tiefes Glucksen und Girren hören. Oft auch sehen wir, wie sich
die Tauben ihre Liebe untereinander durch Schnäbeln und Kosen bezeugen. Aber
zeitweise hört diese Freundschaft doch auf, namentlich wenn es sich um das Futter
handelt. Auch gegen ihre Brut ist die Taube oft recht herzlos. Die Jungen
sind Nesthocker. (S. 40.) Sie kommen nackt aus dem Ei, bleiben mehrere
Wochen im Neste und bedürfen sorgfältiger Pflege. Berührt man das Nest,
während die Taube Junge hat, so fliegt sie davon und läßt die Jungen hilflos
liegen. — Reinlichkeit liebt die Taube sehr; deshalb hat sie es gern, wenn der
Taubenschlag recht oft mit frischem Sande bestreut wird. Auch müssen die Nester
nach jeder Brut gereinigt werden.
3. Die Brieftaube zeichnet sich durch besonders kräftige Flügelmuskeln und
einen sehr hohen Flug aus Um sie zum Brieftragen abzurichten, bringt man die
jungen Tauben, immer dieselbe Richtung einschlagend, in Körben zuerst in
geringerer, allmählich aber in größerer Entfernung an einen fremden Ort und
läßt sie von dort aus fliegen. Sie finden ihre Heimat immer wieder, selbst aus
Entfernungen von 6—800 km und nach jahrelanger Abwesenheit. In neuerer
Zeit hat man Brieftauben auch zum Hin- und Rückfluge abgerichtet. Eine
solche Taubenpost legt in der Regel 50—-60 km in einer Stunde zurück Vor⸗
zügliche Flieger haben es aber schon auf das Doppelte und Dreifache dieser
Schnelligkeit gebracht. — Schon in alter Zeit waren die Brieftauben bekannt. Durch
die Belagerung von Paris 1870 aber haben sie eine erhöhte Bedeutung bekommen.
Man brachte damals vermittels Ballons 354 Brieftauben aus der französischen
Hauptstadt fort, von denen jedoch nur 100 zurückkehrten. Sie beförderten
21/2 Millionen Depeschen, deren Schrift durch Photographie um so viel verkleinert
war, daß ein einziges Blättchen von 40 qmm 250 Depeschen enthielt und von
mehr als 1000 Personen Nachricht brachte. Das Blättchen wird in einer Federspule
eingeschlossen, die man dann an einer Schwanzfeder befestigt. Seitdem hat man in
Berlin und in allen wichtigen deutschen Festungen Brieftaubenstationen eingerichtet.
113. Der Seiclenlpinner.
1. Züchtung. Die Heimat der Seidenraupe ist China. Die Ausführung
war hier streng verboten. Im Jahre 536 aber brachten, wie die Sage erzählt,
2 Mönche Eier von Seidenraupen in ihren hohlen Stäben heimlich nach Kon—
stantinopel. Von dort aus verbreitete sich der Seidenbau nach Italien, Spanien,
Frankreich und Deutschland. Bei uns kann die Seidenraupe nur im Zimmer ge—
züchtet werden, da es ihr im Freien zu kalt ist Im Juli legt das Weibchen
bis 600 Eier, die die Größe eines Stecknadelkopfes haben. Gleich darauf stirbt
es, ohne Nahrung zu sich genommen zu haben. Auch das Männchen nimmt keine
Nahrung zu sich. (Rüssel bei beiden verkümmert.) Die Eier werden während
des Winters in trockenen, luftigen Kellern aufbewahrt, damit die Raupen nicht
vor der Zeit auskommen. Im Frühlinge aber, sobald das Laub des Maulbeer—