Grube: Rolands Tod.
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der Nähe waren, stieß er in sein gewaltiges Horn, um die Franken zu rufen,
die etwa noch lebten und sich verloren haben möchten. Da versammelten
sich ungefähr hundert seiner Krieger um ihn, und mit diesen stieg er wieder
hinab ins Tal Ronceval. Als er zu dem Mauren kam, den er vorher ge—
fessoelt hatte, band er ihn los, erhob die entblößte Klinge seines Schwertes
über das Haupt des Gefangenen und sprach zu ihm: „Wenn du jetzt mit
mir kommst und mir den Marsilies zeigst, so sollst du das Leben behalten;
wenn nicht, mußt du sterben!“ Damals kannte Roland den Marsilies
noch nicht. So ging denn der Maure voran, und Roland folgte ihm; bald
zeigte ihm der Gefangene in der Ferne unter den Reihen der Feinde den
Gesuchten, der auf seinem Rotfuchs saß und den runden Schild schwang.
Da ließ Roland den gefangenen Gegner entweichen, betete zu Gott und
stürzte sich mit seiner kleinen Schar auf die Mauren. Einer von diesen,
der größer und stärker war als die anderen, drang auf Roland ein. Aber
mit gewaltiger Wucht traf Rolands Schwert das Haupt des Feindes und
spaltete ihn mit einem Hiebe vom Scheitel bis zum Sattel, also daß rechts
und links vom Pferde ein halber Maure niedersank. Da erfaßte Schrecken
die anderen, sie flohen davon und ließen Marsilies mit wenigen Begleitern
allein im Felde. Roland vertraute Gott und der Kraft seines Armes und
drang gerade auf Marsilies los. Der wandte sich zur Flucht, aber Roland
erreichte ihn und schlug ihn mit starker Hand, so daß auch Marsilies stürzte
und starb.
Unterdessen waren die hundert Genossen Rolands, die vom Franken—
heer noch übrig waren, alle gefallen. Roland selbst war von vier Speeren
und vielen Steinwürfen hart verletzt, und nur mit Mühe gelang es ihm,
zu entkommen. König Karl aber war mit seinem Heere schon über die
Berge hinüber und wußte nichts von dem, was in seinem Rücken geschah.
Da ritt der gewaltige Held Roland, kampfesmüde und tiefbekümmert um
den Untergang eines so herrlichen Heeres, einsam irrend umher, bis er an
den Fuß eines Berges kam, den er nicht mehr zu übersteigen vermochte.
Dort stand ein Baum neben einem Marmorstein; hier sprang Roland vom
Pferde und überdachte sein Geschick. Noch hatte er sein Schwert Durenda.
Es war herrlich und von kostbarer Arbeit, scharf und stark zugleich und
leuchtete weithin; nur Rolands Arm konnte es mit rechter Kraft schwingen.
Den Namen Durenda hatte es aber von seinen harten Schlägen. Dies
Schwert zog Roland aus der Scheide, betrachtete es traurig, und mit Tränen
in den Augen sprach er dann: ‚O du herrliches, immerdar leuchtendes
Schwert, du bist geziert mit einer elfenbeinernen Koppel und mit einem
goldenen Kreuze, du trägst den Namen Gottes eingegraben auf deiner Klinge
und bist mit aller Tugend eines Schwertes begabt. Wer aber soll von nun
Hopfu,. Paulsiel, deutsches Lesebuch, Quarta.