II. Natur und Menschenwerk.
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Grenze teilt sich der Rhein in zwei Krme: der kleinere, nördliche heißt später Lek, der
größere, südliche lvaal. Die Waal vereinigt sich mit der im großen Vogen der Grenze
entlang' fließenden Maas und bildet mit den Mündungsarmen der südlicher fließenden
Schelde ein breites Stromdelta von Inseln und Meeresstraßen. Die Flußläufe sind
durch künstliche Dämme auf ihr Bett beschränkt. Denn weite Strecken haben hier nur
eine Höhenlage bis ju Im; ja, der ganze W, ein viertel des Landes, liegt bis zu 5 m
unter dem Meeresspiegel. Sanddünen, breite Wälle, welche der wind bis zu 60 m
hoch in langen Linien aufgeweht hat, und künstliche, sehr kostspielige Deiche schützen
die Rüsten gegen Überschwemmungsgefahr. Trotzdem hat die Wut des Ozeans große
Stücke Landes fortgeschwemmt. Der Zuidersee, früher ein Vinnensee. ist durch Sturm-
fluten zu einem Meerbusen geworden, und die Westfriesischen Inseln, durch seichtes Watten-
meer zur Flutzeit getrennt, sind Reste des ehemaligen Festlands.
II. a) Gesamtbetrachtung. Gleichmäßiges Seeklima. Die schmale Ausdehnung
an der Rüste und die flache Vodengestalt bewirken, daß sich alle Teile des Reichs eines
milden ozeanischen Klimas mit kühlen Sommern, milden Wintern, sowie reichlichen
Niederschlägen erfreuen.
Das Land der Viesen, Marschen und Wasserstraßen in begünstigter Handels-
läge. Der Naturausstattung ihrer Heimat verdanken die Niederländer sehr mannigfache
Erwerbsquellen.
b) Linzelbetrachtung. Jenseits der preußischen Grenze gelangt man in ein
sandiges Hügelland, dessen unfruchtbarer Voden (Geest) magere Kiefernwälder, Heiden
oder ausgedehnte Moore, z. V. das Vourtanger Moor an der Nordostgrenze, trägt.
Längs der Strommündungen und nach den Rüsten zu liegt, durch Ablagerungen der
Flüsse und des Meeres entstanden, die Marsch. Sie besitzt sehr tonigen, fruchtbaren Voden.
Zahlreiche Kanäle, welche durch Deiche eingehegt oft höher liegen als das Nachbar-
gelände, zerlegen das Gebiet gitterförmig in große Rechtecke. Überall sieht man hier
Windmühlen, welche in Verbindung mit Dampfmaschinen den Überfluß an Wasser
aufpumpen und durch die Kanäle ableiten. Die starke Feuchtigkeit des Vodens läßt
das Gras aufs üppigste emporschießen, so daß auf der tafelebenen, wiesengrünen Flur
große Herden schwarzbunten Rindviehs zumeist auch während des schneearmen Winters
weiden. In den Molkereien werden Käse und Vutter von vorzüglichster Beschaffenheit
hergestellt. Wald fehlt fast gänzlich; der Ackerbau ist gering, dagegen blüht der Garten-
und Gemüsebau (Kohl, Bohnen, Tabak), und der leichtere Voden an der großen westl.
Halbinsel trägt ausgedehnte Vlumengärtnereien (Tulpen und Hyazinthen), hier haben
auch reiche Tonlager — die einzigen Bodenschätze des Landes — die Porzellanherstellung
begünstigt. Der Kampf gegen das Meer hat die Bewohner zu Meistern in allerlei
Wasserbauten gemacht. Weite Landstriche haben sie z. B. dem Meere wieder abgerungen.
Auf diese Weise will man setzt das Gebiet des Zuidersees urbar machen.
An den hafenreichen Küsten treiben große Fischerflotten den Heringsfang. An den
friesischen Inseln werden Küstern und andere eßbare Muscheln gesammelt. So wur-
den die Niederländer mit dem Meere vertraut, lernten den Schiffsbau, die Tau- und
Segelanfertigung, vor allem begünstigte die Lage an der äußersten Nordwestkante die
glänzende Entfaltung des Seehandels, welche noch heute die Haupterwerbsquelle der
Bewohner bildet. Ihr reicher Kolonialbesitz im Malaienarchipel (Java) liefert dem
niederländischen Seehandel vielbegehrte Waren (Tabak, Tee, Kakao, Kaffee, Zucker,
Reis, Gewürze).