Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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45. Die Rartoffel. 
1. Geschichtliches. Vor 300 Jahren war die Kartoffel noch ein Wildling 
auf den Gebirgen Perus und Chiles. Ums Jahr 1596 wurde sie von dort 
durch Franz Drake einem Freunde in England zugesandt. Bei einem Mahle 
wollte dieser seine Gäste mit dem neuen Gerichte überraschen. Aber statt der 
Knollen hatte man die Beeren zubereitet. Diese schmeckten jedoch ganz abscheulich. 
Schon glaubte man, in England gedeihe das neue Gewächs nicht. Da sah eines 
Morgens der Gastgeber gebratene Knollen in der Asche eines Gartenfeuers liegen. 
Er nahm eine davon und zerdrückte sie. Ihr lieblicher Duft fiel ihm auf. Vom 
Gärtner erfuhr er, daß sie an dem fremden Gewächse gewachsen sei. Bald 
darauf wurden die Gäste wieder geladen. Diesmal erschienen die gekochten Knollen 
auf dem Tische, und sie schmeckten allen ganz vorzüglich. — Wahrscheinlich ist 
aber die Kartoffel schon früher (1560) nach Europa, gekommen, und zwar über 
Spanien nach Italien. Hier erhielt sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Trüffeln 
den Namen „Taratufuli“, woraus später das Wort „Kartoffel“ entstanden ist. In 
Deutschland fanden die Kartoffeln erst mehr und mehr Eingang durch den großen 
Kurfürsten und namentlich durch Friedrich den Großen. 
2. Bau. Aus den unterirdischen Stengelteilen entspringen sowohl Neben— 
wurzeln als auch Ausläufer (unterirdische Zweige). Nur an den Ausläufern — 
nicht an den Nebenwurzeln — sitzen die fleischigen Knollen, durch die die 
Kartoffel eine so hohe Bedeutung für uns erlangt hat. — Pflanzt man eine 
solche Knolle, so sprossen aus ihren „Augen“ die Stengel hervor. Ganz unten 
an dem Stengel bilden sich in der Erde Ausläufer. Diese aber verdicken sich an 
ihrem Ende sowie an den Enden ihrer Äste zu Knollen. Damit nun die Aus— 
läufer reichlich Erdreich erhalten und viele Zweige bilden können, werden die 
Kartoffeln vom Landmanne „behäufelt“. Der oberirdische Stengel ist mit weit 
hervortretenden Kanten versehen. Dadurch bildet er eine Rinne, in der das 
Regenwasser zur Wurzel ablaufen kann. Die Blätter sind gefiedert. Größere und 
kleinere Fiederblättchen wechseln unregelmäßig ab. Dadurch gestatten sie den Sonnen— 
strahlen leicht Einlaß. Die Blüten haben keinen Honig. Der Insektenbesuch ist daher 
spärlich. Meist tritt Selbstbestäubung ein. Dies geht um so leichter, als die 
Blüte meist nickend ist und der herausragende Stempel sich etwas zur Seite krümmt, 
um den herabfallenden Blütenstaub aufzufangen. Die Frucht ist eine Beere. 
3. Die Kartoffelkrankheit entsteht durch einen kleinen Pilz, der sich in allen 
Teilen der erkrankten Pflanze, zunächst jedoch gewöhnlich auf den Blättern zeigt. 
Hier erscheint er als zarter Schimmel, der das saftige Grün der Pflanzen in ein 
häßliches Graubraun verwandelt. Die Schwärmsporen dieses Pilzes werden vom 
Regen teilweise in den Boden gespült, wo sie mit den jungen Knollen in Berührung 
kommen. Sie wachsen nun in diese hinein und zerstören sie, indem die Knollen zu 
einer jauchigen Masse verfaulen (nasse Fäule) oder zu einer bröckligen, rissigen 
Masse zusammenschrumpfen (trockne Fäule). Um das Krankwerden der Kartoffel 
in Zukunft zu verhüten, ist es dringend notwendig, die von Pilzen befallenen Stengel 
zu verbrennen, die faulen Knollen aber aufzulesen und vom Acker zu entfernen. 
46. Das Verwelken der Pflanzen. 
Wenn im Sommer die Sonne heiß brennt, lassen manche Pflanzen schlaff 
ihr Köpfchen hängen, andre verwelken ganz. Dies kommt von der steten Ver— 
dunstung der Feuchtigkeit her, die aus den Spaltöffnungen der Pflanzen entweicht. 
Wir können diese Verdunstung deutlich wahrnehmen, wenn wir eine Pflanze bei 
warmer Temperatur unter eine Glasglocke stellen. Die Glocke wird alsbald mit 
kleinen Wassertropfen beschlagen. Sie rühren von dem entweichenden Wasser— 
Kahnmeyer u. Schulze, Realienbuch O
	        
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