Full text: Deutsches Lesebuch für einfache Schulverhältnisse

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48. Die sieben Stäbe. 
Ein Bauersmann hatte sieben Söhne, die öfter mit 
einander uneins waren. Ueber dem Zanken und Streite» 
versäumten sie die Arbeit. Ja, einige böse Menschen machte» 
sich diese Uneinigkeit zu Nutzen und trachteten, die Söhn» 
nach dem Tode des Vaters um ihr väterliches Erbtheil z» 
bringen. 
Da ließ der Vater eines Tages alle sieben Söhn» 
zusammenkommen, legte ihnen sieben Stäbe vor, die fest 
zusammengebunden waren, und sagte: „Dem, der dieses 
Bündel Stäbe zerbricht, zahle ich hundert große Thales 
haar.“ 
Einer nach dem andern strengte lange seine Kräfte 
an, und jeder sagte am Ende: „Es ist gar nicht möglich! 
„Und doch,“ sagte der Vater, „ist nichts leichter!“ A 
löste das Bündel auf und zerbrach einen Stab nach dem ander» 
mit geringer Mühe. „Ei!“ riefen die Söhne, „so ist es freiließ 
leicht, so könnte es ein kleiner Xnabe!“ 
Der Vater sprach: „Wie es mit diesen Stäben ist, so 
ist es mit euch, meine Söhne! So lange ihr fest zusammen' 
haltet, werdet ihr bestehen, und niemand wird euch über¬ 
wältigen können. Bleibt aber das Band der Eintracht, da$ 
euch verbinden sollte, aufgelöst, so wird es euch gehen wij 
den Stäben, die hier zerbrochen auf dem Boden umherliegen« 
Das Haus, wo Zwietracht herrscht, zerfällt, 
nur Einigkeit erhält die Welt. Chr. Schmäh 
49. Die Spinnerin im Monde. 
In der Gegend von Salzwedel erzählt man sich folgen^ 
Sage: Es lebte dort in einem Dorfe eine arme, alte Wittwe i»jf 
ihrer einzigen Tochter Marie. Die Mutter war krank unb schwaü 
und konnte nicht mehr arbeiten; aber das schadete nicht, de»^ 
Marie war weit und breit die beste Spinnerin; sie konnte tägl»v 
drei Stück Garn spinnen, und das war wunderbar fein und wurdk 
gut bezahlt; dadurch ernährte sie sich und ihre Mutter. Aber 
Mädchen war wild und leichtsinnig und mußte bei jedem Ta»^ 
und bei jedem Feste sein, sie verursachte dadurch ihrer alten MuttJ 
viel Kummer, und diese ermahnte sie oft genug, aber es half nichts 
Im Spätherbst und Winter, wenn die jungen Mädchen z»^ 
Spinnen zusammenkamen, dann ging die Lust erst recht los; daȤ 
wurde bis in die späte Nacht gespielt, gelärmt, gesungen und gelang 
und Alane war beim Nachhausegehen immer die letzte. Die MuE 
hatte das lange in Geduld angesehen, weil ihre Ermahnungen dM
	        
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