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Knochen. Wenn’s nicht weiter geht, sollen Sie die erste sein,
die uns zur Hilfe kommen soll."
„Ihr seid ein hartnäckiger Gesell, Tellering," antwortete das
Freifräulein, ihren Krückstock auf den Boden stoßend.
Ludwigs Augen schossen nach solchen Worten seines Vaters
stolze Blitze, und das Handwerksgerät schien in seinen Händen
ein eignes Leben zu gewinnen. Glücklich der Mann, der im
Kampfe gegen das Elend, in jedem Kampfe des Lebens auf solche
Zauberwaffen vertraut, sie zerbrechen zu allerletzt.-—
6. Wochen waren vergangen, Johannes sollte nun nicht lange
mehr leiden. Nun lag der wackre Kämpfer ausgestreckt, still
auf seinem Lager; er hatte Ruhe, es war, als spiele ein Lächeln
des Triumphes um die bleichen Lippen. In ihrer Kammer weinten
Mutter und Tochter. Aus der Werkstatt erschallte kraftvoll der
Hammerschlag Ludwigs; der Sohn vollendete eben den Sarg des
Vaters. Er machte meisterliche Arbeit, es mußte der trefflichste
Sarg werden, den er jemals angefertigt hatte. So maß er denn
und behobelte die guten Bretter, auf denen des Vaters Augen
so oft geruht hatten; es war ihm während der Arbeit, ais ruhten
sie noch immer darauf, und er bestrebte sich mit fieberhaftem
Eifer, daß das Stück ohne Fehl und Tadel, ein gutes, wackres
Schreinermeisterstück, zustande komme.
Wilhelm Raabe.
187. Die alte
1. Du siehst geschäftig bei dem
Linnen
die Alte dort in weißem Haar,
die rüstigste der Wäscherinnen
im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm
Schweiß
ihr Brot in Ehr’ und Zucht ge-'
gessen
und ausgefüllt mit treuem Fleiß
den Kreis, den Gott ihr zuge¬
messen.
2. Sie hat in ihren jungen Tagen
geliebt, gehofft und sich ver¬
mählt;
sie hat des Weibes Los getragen,
die Sorgen haben nicht gefehlt;
Waschfrau.
sie hat den kranken Mann ge¬
pflegt,
sie hat drei Kinder ihm geboren,
sie hat ihn in das Grab gelegt
und Glaub’ und Hoffnung nicht
verloren.
Da galt’s, die Kinder zu er¬
nähren ;
sie griff es an mit heiterm Mut,
sie zog sie auf in Zucht und
Ehren,
der Fleiß, die Ordnung sind ihr
Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,
entließ sie segnend ihre Lieben,
so stand sie nun allein und alt,
ihr war ihr heitrer Mut ge¬
blieben.