Object: [1 = [5. Schulj.]] (1 = [5. Schulj.])

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scheu und vorsichtig, selten einsam seiner Beute nachspähend, gewöhnlich mit 
seinem Weibchen das Revier regelmäßig zonenweise absuchend. Sein Helles 
„Pfülüf" oder „Hiä—hiä" klingt weit durch die Lüfte und erfüllt das 
kleinere Geflügel mit Schrecken. Wenn er sich seiner Beute nähert, stößt 
er oft ein „Kik—kak—kak" aus, senkt sich allmählich festen Blickes auf sein 
Opfer und stößt dann blitzschnell in schiefer Linie auf dasselbe und packt es 
mit der eisernen Klammer seiner tief eingeschlagenen Fänge. Keins unserer 
kleineren Tiere ist vor seiner Kralle sicher. Rehkälber, Hasen, wilde Gänse, 
Lämmer, Ziegen, die er kühn vor Ställen und Häusern wegholt, Füchse, 
Dachse, Katzen, Feld- und Waldhühner, Hunde, Trappen, Störche, zahmes 
Geflügel, selbst Ratten, Maulwürfe und Mäuse sind ihm angenehm, vor¬ 
züglich aber Hasen, die er seinen Jungen stundenweit mit ungeschwächter 
Kraft zuträgt. Den Vierfüßler rettet der flüchtigste Lauf nicht, eher den 
kleinen Vogel der hastige Flug. Der Adler setzt seine Jagd mit ebenso 
großer Beharrlichkeit wie List fort und ermüdet das flinke Rebhuhn und 
die rasche Waldschnepfe durch fortgesetzte Verfolgung. Oft jagt er dem 
Wanderfalken seine Taube, dem Habichte sein Haselhuhn ab. Wo er ein¬ 
mal gute Beute gemacht, dahin kehrt er gern zurück. Im Winter stößt 
er oft auf Aas. In der Gefangenschaft kann er ohne völlige Erschöpfung 
4—5 Wochen lang hungern. 
An den unzugänglichen Felswänden, und lieber im Innern des Hoch¬ 
gebirges als in den Vorbergen, baut er aus groben Prügeln, Stengeln, 
Heidekraut und Haaren einen roh gefügten, flachen Horst, den er in der 
Niederung zwischen den obersten Eichenästen, im Gebirge in einer über¬ 
dachten Felsenspalte anlegt. Das Weibchen legt 3—4 weiße, braungespren¬ 
kelte, sehr große Eier. Den in der Mitte des Mai ausschlüpfenden 1 bis 
2 Jungen bringen die Eltern allerlei Wildbret, besonders Schneehühner, Hasen, 
und Murmeltiere, zu, und zerfleischen es, um die Jungen zu unterrichten 
vor ihren Augen am Rande des Nestes, indem sie es säuberlich aus dem 
Balge herausschälen. 
Wenn sie nicht gestört werden, behalten sie den Horst mehrere Jahre bei. 
Um zu den zum Horstbau nötigen Prügeln zu gelangen, stürzen sie mit ein¬ 
gezogenen Flügeln blitzschnell auf einen Baum hinunter, packen mit den 
Fängen einen dürren Ast, der von der Wucht ihres Sturzes krachend bricht, 
und tragen das Holz dem Horstplatze zu. 
Man hat oft gestritten, ob die Steinadler gelegentlich auch auf Kinder 
stoßen. So selten dies auch geschehen mag, so ist doch der Vogel mutig 
und stark genug dazu, und wenigstens ein verbürgtes Beispiel haben wir 
aus Graubünden dafür. Dort, in einem Bergdorfe, schoß ein Steinadler 
auf ein zweijähriges Kind herab und trug es weg. Durch das Geschrei 
herbeigerufen, verfolgte der Vater den Räuber in die Felsen, und da die 
Last des Vogels ziemlich stark war, gelangte er nach großer Mühe dazu, 
ihm das übel zugerichtete Kind abzujagen, das, an den Augen zerhackt, bald 
starb. Lange lauerte der Vater dem Mörder auf, der sich stets in der 
Gegend umhertrieb. Endlich gelingt es ihm, ihn in einer aufgestellten 
Fuchsfalle zu fangen. Ergrimmt eilt er auf ihn zu und packt ihn in der
	        
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