Full text: Leitfaden der Geschichte, Erdkunde, Naturkunde und Sprachlehre für Mittelschulen und die Oberstufe der Volksschulen

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warmen Ofen nicht über 0" hinaus, so lange noch ein Stückchen Eis in 
dem Gefäße ist. Alle hinzutretende Wärme wird lediglich zum Schmel¬ 
zen des Eises, nicht zur Erhöhung der Temperatur verbraucht. Das 
geschmolzene Eis oder Wasser hat eine Menge Wärme in sich aufgenom¬ 
men, die aber mit dem Thermometer nicht mehr nachzuweisen ist; sie ist 
verborgen oder gebunden und heißt daher auch gebundene (latente) 
Wärme. Ein flüssiger Körper besteht demnach aus einem festen Körper 
und gebundener Wärme. — b. Füllt man zwei gleiche Gefäße, das eine 
mit iKe• Wasser von 0°, das andere mit 1**- Schnee von 0®, und stellt 
sie auf den heißen Ofen, so empfangen beide Gefäße von dem Ofen die 
gleiche Menge Wärme; aber ein Thermometer zeigt, sobald der Schnee 
geschmolzen ist, im ersten Gefäße 62" R, im zweiten 0°. Schüttet 
man nun in das erste Gefäß unter schnellem Umrühren 1**' Schnee von 
0°, so wird das Thermometer, sobald der Schnee geschmolzen, bis auf 
0° herabsinken. Die 62" Wärme hat der Schnee in sich aufgenommen, 
gebunden und ist dadurch flüssig geworden. Geht ein fester Körper aus 
dem festen in den flüssigen Zustand über, so entzieht er seiner Umgebung 
die dazu erforderliche Wärme. Daraus erklärt sich, daß im Frühjahr 
die Luft kühl bleibt, so lange noch Schnee liegt. Gefrorne Aepfel, Flaschen 
mit Wein re. thauen wieder auf, wenn man sie in kaltes Wasser legt. Sie 
entziehen beim Aufthauen dem Wasser die dazu erforderliche Wärme, 
und dieses verwandelt sich in Eis, das in einer Kruste die Körper um¬ 
gibt. Durch Mischungen von Salz und Eis oder Wasser kann ein hoher 
Kältegrad erzielt werden, der zur künstlichen Herstellung von Eis be¬ 
nutzt wird. 
§. 95* Dampfbildung und gebundene Wärme des Dam¬ 
pfes. a. Der Vorgang bei der Dampfbildung läßt sich am bequemsten 
bei einer Kochflasche beobachten, welche man über eine Spiritusflamme 
stellt. Zunächst entsteht in der Flasche eine Zirkulation des Waffers, 
wie die Bewegung eingestreuter Sägespäne zeigt, dann entstehen am 
Boden des Gefäßes kleine Dampfbläschen, welche wegen ihres geringern 
spec. Gewichtes rasch in der Flüssigkeit emporsteigen, aber schon wieder 
zerplatzen, ehe sie an die Oberfläche gelangen. Durch das Zerplatzen 
der Dampfbläschen entsteht jenes eigenthümliche singende Geräusch vor 
dem Sieden. Hat endlich alles Wasser eine Temperatur von 80® R 
erlangt, so geht die Bildung von Dampfblasen in viel höherm Grade 
bor sich; die Dampfblasen sind größer und gelangen bis an die Ober¬ 
fläche, indem sie die Kraft besitzen, die auf sie drückende Wasserschicht zu 
durchbrechen und theilweise zu heben. (Sieden, Kochen.) So stark 
und so lange das Wasser auch kochen möge, das Thermometer zeigt, daß 
seine Temperatur dadurch nicht erhöht wird. Alle noch hinzutretende 
Wärme wird nur zur Dampsbildung verbraucht. Daher ist ein starkes 
Feuer, wenn die Flüssigkeit nur kochen, nicht verdampfen soll, eitel Ver¬ 
schwendung. (Marienbad). — Der aufsteigende Wasserdampf hat auch nur 
^ine Temperatur von 80" R. Es geht daraus hervor, daß auch beim 
Übergänge eines flüssigen Körpers in einen luftförmigen gleichfalls 
Wärme gebunden wird. Ein luftförmiger Körper besteht daher aus 
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