Full text: [Teil 2 = Kl. 7] (Teil 2 = Kl. 7)

„Au!" schrie der eine, der sich an der Stopfnadel stach, „das ist 
aber ein Kerl!" 
„Ich bin kein Kerl, ich bin ein Fräulein!" sagte die Stopfnadel; 
aber es hörte niemand. Der Siegellack war abgegangen, und schwarz war 
sie auch geworden; aber schwarz macht schlanker, und da glaubte sie, sie 
sei noch feiner als früher. 
„Da kommt eine Eierschale gesegelt," sagten die Jungen, und dann 
steckten sie die Stopfnadel fest in die Eierschale. 
„Weiße Wände und selbst schwarz," sagte die Stopfnadel, „das 
kleidet gut! Nun kann man mich doch sehen! Wenn ich nur nicht see¬ 
krank werde; denn dann zerbreche ich!" 
Aber sie wurde nicht seekrank und zerbrach nicht. 
„Es ist gut gegen die Seekrankheit, wenn man einen Stahlmagen hat 
und dann auch nicht vergißt, daß man ein bißchen mehr ist als ein Mensch. 
Nun ist meine Seekrankheit vorüber. Je feiner man ist, desto mehr kann 
man vertragen." 
„Krach!" sagte die Eierschale: es ging ein Lastwagen über sie. 
„Himmel, wie das drückt!" sagte die Stopfnadel; nun werde ich doch 
seekrank! Ich zerbreche!" Aber sie zerbrach nicht, obgleich ein Rollwagen 
über sie ging; sie lag der Länge lang, und so mag sie liegen bleiben. 
158. I)LNS UH Glück» Von den Brüdern Grimm. 
Kinder- u. Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt v. Reinhold Steig. 
Stuttgart und Berlin 1906. 8. 272. 
1. 
GLaitio hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm: 
„Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu 
meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn." Der Herr antwortete: „Du 
hast mir treu und ehrlich gedient; wie der Dienst war, so soll der Lohn 
sein," und gab ihm ein Stück Gold, das so groß wie Hansens Kopf war. 
Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, 
setzte ihn auf die Schulter und machte sich aus den Weg nach Haus. 
Wie er so dahinging und immer ein Bein vor das andere setzte, 
kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem 
muntern Pferd vorbeitrabte. „Ach," sprach Hans ganz laut, „was ist 
das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, 
stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh' und kommt fort, er weiß 
nicht wie." Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief: „Ei, 
Hans, warum läufst du auch zu Fuß?" — „Ich muß ja wohl," ant¬ 
wortete er, „da habe ich einen Klumpen heimzutragen; es ist zwar Gold,
	        
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