Full text: [Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6] (Stufe 4 = Schulj. 5 u. 6)

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so würden sich die Kräfte der Seele verzehren. Darum gibt uns 
Gott einen Frei- und Ruhetag. 
Indem ich aber an diesem Tage meinen irdischen Beruf beiseite 
lege, soll ich an einen anderen Beruf denken. Die Seele soll den 
Sorgen und Gedanken des Alltagslebens entfliehen. Am Sonnabende 
holt sich der Arbeiter seinen Lohn, von dem er die künftige Woche 
leben will. Aber der Mensch lebt nicht vom Brote allein; es gibt 
auch einen Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit. Das Brot und 
Wasser des Lebens reicht dir Gott am Sonntage. Darum ist der 
Sonntag die Perle der Tage, die Kraft der Woche, der 
Quell der Wüste. Brauche ihn, wozu er gesetzt ist! 
Ahlfeld. 
10. Du sollst den Feiertag heiligen; 
Ein ehrlicher Schmiedegesell kam auf seiner Wanderschaft in eine 
Werkstatt, wo es recht tapfer herging mit Hämmern und Feilen bis 
zum Abend; und es war ihm eben recht, denn er arbeitete gern. 
Als aber der Sonntag kam und das Hämmern nicht aufhörte und 
keine andere Orgel zu hören war als der Blasebalg, war es ihm nicht 
ganz recht; denn er wäre gern in die Kirche gegangen, ein geistliches 
Lied mitzusingen. Aber der Meister wollte aus seinem Eisen alle 
Taschen voll Gold schmieden und dachte: Warum soll mein Handwerk 
bloß am Sonntag keinen goldnen Boden haben? 
Eine Weile hat sichs der Geselle eben gefallen lassen, weil er bem 
Meister nicht wollte zuwider sein. Allein ohne den Sonntag schmeckte 
ihm das Leben wie eine Wassersuppe, in der kein Salz ist. Also faßt 
er sich ein Herz, geht zum Meister ins Haus und sagt: „Meister, ich 
kann ohne Gottes Wort nicht länger bestehen, und wenn ich mich den 
Sonntag in der Werkstatt abarbeite, bin ich in der Woche nur ein 
halber Mensch; darum seid so gut und gebt mir den Sonntag meine 
Freiheit!" Der Meister sagt: „Nein, das geht nicht an, denn du hast 
die Auflicht in der Werkstatt, und außerdem, wenn einer fortginge, 
könnten sie alle fortgehen, und dann stände das Geschäft still." — «Aber 
ohne Gottes Wort verkomm ich," sagt der Gesell, „und es geht einmal 
nicht mehr. Ihr wißt, faul bin ich nicht, und Euren Schaden will ich 
auch nicht; aber was nicht geht, das geht nicht. Und wofür bin ich 
ein Christ, wenn ich keinen Sonntag habe?" 
Dem Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein 
Wort von Narrenpossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er aber 
dem ehrlichen Gesellen ins Gesicht sah, besann er sich und sagte: „9um
	        
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