276 II- Die Zeit neuer Staatenbildungen.
Kleinen viehisch trunken zn machen. In den Kirchen
hielt man lästerliche Clubs, wobei der Präsident auf dem
Altare saß. Am Himmelfahrtstage vertheilte man vor
den Kirchen in namenlosem Hohne Hostien an den Pöbel
rc. Kunst und Wissenschaft traf der roheste Haß. Am
18. Mai endlich wird der lustige Student und blutdür¬
stige Erzatheist Rigault beauftragt, an den gefangenen
Geiseln Repressalien zn nehmen für die von den Ver¬
sailler Truppen verübten Grausamkeiten.
Mit dem Sonntag 21. Mai brach die grause „Höl-
leuwoche," die Woche des Todeskampfes der Commune
an. Von dem leeren Wall herab winkte ein redlicher
Bürger (am St. Clond-Thor) den Truppen mit dem
Taschentuch und bezeichnete ihnen die Stelle, wo die Ring¬
mauer leicht zu überschreiten war. Abends standen schon
80,000 der Versailler innerhalb der Wälle; aber ihr
Fortschritt in der Riesenstadt war ein langsamer, über
Barrikaden, über aufgehäufte Leichen, über Schutt und
Trümmer. Das Meiste mußte das schwere Geschütz
thun, weil man die Soldaten schonen wollte; eben dar¬
um ließ man sie auch anfangs während der Nacht
von der Blutarbeit ruhen, ein schwerer Mißgriff. Schon
am 22. löste sich die Commune auf und suchte in Luft¬
ballons zu entrinnen, was das entrüstete Volk doch nur
wenigen Führern gestattete. Etliche der Vorkämpfer, wie
der greife, ehrliche Delesclnze, starben auf den Barrikaden,
andere machten sich ans Brennen oder an die Menschen-
jagd. Am 23., als die Geschosse immer dichter auf die
Tuilerien fielen, übernahm es der frühere Fleischerge¬
selle Oberst Benot, den feuerfichern Palast mit Erdöl
zu übergießen, Laufpulver zu streuen und ein Pulverfaß
unten aufzustellen. Um 2 Uhr Morgens (24.) hörte man
den furchtbaren Knall, dem augenblicklich der Brand aller
nicht aufgeflogenen Räume folgte. „Die letzten Spuren
des Königthums waren vertilgt." Darauf steckte Berge-
ret trotz aller Bitten und Thränen der Wächter auch das
Louvre in Brand, doch gieng nur fein Bücherfchatz in