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Die Ortsarmen erhalten in stark 700 Gemeinden Hausnnterstützungen
durch die Armenräte. Die Verteilung geschieht nach Maßgabe der vor¬
handenen Mittel lediglich in Rücksicht ans die Hilfsbedürftigkeit. Arme
Hauskranke werden von den Kantonalärzten kostenfrei behandelt und
erhalten ohne Entgelt die nötigen Heilmittel. Unbemittelte Kranke finden
unentgeltliche Aufnahme und Heilpflegc in den Spitälern. Wie gefährlich
und ekelhaft die Krankheit auch sei, das Krankenhaus hat für alle ein Plätzchen,
eine sorgfältige Wartung und eine sachkundige Pflege. Solche „Stätten der
Barmherzigkeit" weisen unsre meisten Städte, oft sogar Ortschaften des
platten Lands auf. Auch für die infolge hohen Alters, körperlicher Gebrechen
oder geistiger Umnachtung dauernd erwerbsunfähigen Armen ist gesorgt. In
Versorgungsheimen wird alten Leuten ein friedlicher und sorgenloser
Lebensabend zilteil, und körperlich gebrechliche Personen, wie Krüppel, unheil¬
bare Kranke u. s. w., finden in eigens für sich eingerichteten Anstalten
angemessene Pflege und den nötigen Lebensunterhalt. In den Irren-
anstalten hatdie christlicheBarmherzigkeit den Geisteskranken zweckentsprechende
Heimstätte und Versorgung geschaffen. In Saargemünd befindet sich eine
Heilanstalt für die Irren in Lothringen, in Stephansfeld bei Brumath und
in Rnfach solche für diejenigen des Elsaß.
Für arbeitsscheue, verwilderte Menschen hat man auch eine wohltätige
Einrichtung getroffen. Ins Arbeitshaus in Psalzburg werden Landstreicher
und Stromer aufgenommen, an Arbeit und Ordnung, Sitte und Sittlichkeit
gewöhnt und so wieder zu nutzbaren Gliedern der menschlichen Gesellschaft
geschaffen. Die entlassenen Sträflinge in passende Stellungen zu bringen,
damit der „Kampf ums Dasein" diese Armen nicht rückfällig werden läßt,
hat sich der „Verein zur Fürsorge für entlassene Gefangene" zur
hohen Aufgabe gestellt.
Auch noch andre Veranstaltungen und Einrichtungen zugunsten der
Armen hat die liebevolle Barmherzigkeit erdacht. Volksküchen und Suppen¬
anstalten sorgen für gute und billige Speisen, während Volksbibliotheken
durch geeignete Lesestoffe dem Geiste eine gesunde Nahrung liefern. Das
schlimme und weitverbreitete Laster der Trunksucht wird in Wort und Schrift
durch die Mäßigkeitsvereine bekämpft, wobei man gleichzeitig Gasträume
schafft, in denen billige Speisen und kräftige Getränke, aber keine geistigen
verabreicht werden. Im Winter lassen größere Städte Notstandsarbeiten
verrichten, damit die Arbeiter nicht brotlos sind, gleichzeitig sorgen Armen¬
lotterien dafür, daß die Hausarmcnpflcge in ausgedehnterem Maße ausgeübt
werden kann. Den Arbeitslosen sucht man durch unentgeltlichen Arbeits¬
nachweis zur lohnenden Beschäftigung zu verhelfen.
Nicht vergessen seien auch die mannigfachen Hilfsgenosscnschaften
und Unterstützungskassen, deren segensvollen Wirkungen nicht hoch genug
gewertet werden können. Höchst wichtig ist auch die Einrichtung des Armen-
rechts, welches den Armen von allen Gerichtskosten und -gebühren befreit,