Full text: Württembergisches Realienbuch

Schlacht bei Prag. 
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einer Stunde hatte das ligistisch- kaiserliche Heer den vollständigsten Sieg 
errungen und das Lager sowie zehn Geschütze und hundert Fahnen erbeu¬ 
tet; über 4000 Krieger des böhmischen Heeres kamen thcils im Kampfe, 
theils in der Moldau um; von jenem kaum so viel Hunderte. Zur Errin. 
gnng dieses glänzenden Sieges hatte der Graf von Tilly, welcher den lin¬ 
ken Flügel befehligte, durch Tapferkeit und Geistesgegenwart das Meiste 
beigetragen. 
8. Als die Kunde von dieser Niederlage des böhmischen Heeres zu 
Prag einlief, saß der König Friedrich mit dem englischen Gesandten des 
der Tafel; er eilte sofort auf den Wall und sah, daß die Seinigen in 
der größten Verwirrung und eiligster Flucht begriffen waren. Die Stadt 
nahm die Fliehenden auf und war entschlossen, eine Belagerung auszuhal¬ 
ten; aber Maximilian gab dem Könige nur acht Stunden Bedenkzeit, ob 
er die Krone niederlegen wolle. Da ergriff Friedrich, der mit der Schlacht 
auch alle Entschlossenheit verloren hatte, den Rath der Verzweiflung, ob¬ 
gleich ihm noch bedeutende Streitkrafte zu Gebote standen, floh mit seiner 
Gemahlin und den Anführern über Breslau und Berlin nach Holland, in 
solcher Eile, daß er sogar Krone, Scepter und alle geheimen Papiere zu- 
rückließ. Spottend nannte man ihn seitdem „den Winterkönig", da ferne 
Königsherrschaft nur einen Winter gedauert hatte. Am Tage nach der 
Schlacht hielt der siegreiche Maximilian seinen Einzug in die Hauptstadt 
Böhmens, welches Tilly mit den kaiserlich-bayerischen Truppen bald zum 
Gehorsam zurückführte. 
9. In ängstlicher Spannung erwartete das rebellische Land sein 
Schicksal. Die Besiegten mußten die ganze Strenge des Kaisers empfin¬ 
den, welcher mit eigener Hand den Majestätsbrief vernichtete, indem er die 
Unterschrift zerschnitt und das große Siegel ablöste. Nachdem eilf kaiser¬ 
liche Commiffarien eine genaue Untersuchung angestellt hatten, wurden sie¬ 
ben und zwanzig der strafbarsten Böhmen hingerichtet, ihr Vermögen sowie 
das von vielen anderen Geflüchteten und für schuldig Erklärten eingezogen, 
die protestantischen Prediger aus dem Lande verwiesen und allen Protestan¬ 
ten aufgegeben, binnen sechs Monaten auszuwanvern; dagegen wurden die 
Jesuiten zurückgerufen und die katholische Religion wurde in allen kaiser¬ 
lichen Erbstaaten wieder hergestettt. Der vertriebene König Friedrich wurde 
als Hochverräther in die Acht erklärt; Maximilian von Bayern aber erhielt 
später zum Lohn die Churwürde und die pfälzischen Länder diesseits des 
Rheins, und der Churfürst von Sachsen zur Entschädigung für aufgewen¬ 
dete Kriegskosten die Lausitz als erbliches Pfand. 
Das Verfahren Ferdinands gegen b;e Böhmen ist verschieden beurtheilt worden. 
„Statt dnrch Amnestie die Herzen des Volkes zu gewinnen" — sagt der Protestant 
Pfister — „hielt er sich berechtigt, über das mit dem Schwerte eroberte Böhmen 
Nach Willkür zu verfügen. Die andern Staaten mußten bei dieser Gelegenheit mit¬ 
büßen. Das ist Jesuiten moral!" Dagegen bemerkt der ebenfalls Protestant. 
Ees iichtöschreiber Löbell: „Ferdinand ist über dieses Verfahren namentlich von 
Protestant. Schriftstellern hart getadelt worden; doch hätten evangelische Fürsten unbe¬ 
denklich in ähnlichen Fällen ähnlich gehandelt, wie dies; unzählige Beispiele ans der 
Aeformationsgeschichte beweisen. Wie in Böhmen, ging es auch in Mähren; in Ober- 
Österreich, wo alle Bekehrungsvcrsuche bisher vergeblich geblieben waren, mußten die 
Protestanten allmälig da« Land verlassen." Beckcr'sche Weltgeschichte. Berlin 1837, 
Bd. 8, S. 305. 
10. Der Krieg hätte in Folge der Schlacht auf dem weißen Berge, 
welche auch die Auflösung der Union herbeiführte, bald sein Ende erreicht, 
und es würde sich nur noch um das Schicksal der Rheinpfalz und ihres
	        
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