Nordenskiöld: Kap Tscheljuskin. 311 
dauert, bis das wenige dazwischen liegende Eis auch zersplittert ist. Zoll 
für Zoll rückt es näher; im Schiffe ächzt, schreit und kracht das Holz 
von dem untergeschobenen Eis, das es zu heben sucht; unter schußartigen 
Schlägen reißt es sich aus seinem Eisbette los. Man weiß mit Be- 
stimmtheit, daß nur mehr wenige Meter über das Schicksal des Schiffes 
entscheiden, und muß unthätig dabei stehen, ohne etwas anderes thnn 
zu können, als immer und immer wieder mit den Augen zu messen, wie 
groß noch der schützende Zwischenraum ist. Im Herbste waren die Eis- 
Pressungen nicht so heftig als jetzt; es arbeitete langer, aber es traten 
nicht jene fast unglaublichen Kräfte an den Tag, von denen wir in der 
letzten Zeit so oft Zeuge fein mußten, Kräfte, die in wenigen Minuten 
Eiswälle auftürmen, die bei 10 Meter Höhe fo weit verfolgt werden 
können, als das Auge reicht. Heute abend rührte sich das Schiff 
wiederum uuter heftigem Krachen und Stoßen. Die Ursache muß unter 
uns liegen, da sich das Eis des zusammengegangenen Sprunges ruhig 
verhält. 
Es war die letzte Pressung. Eingemauert in Eisklötzen lag von da 
ab das Schiff regungslos zwischen den Wällen aus Eis, die es auf. allen 
Seiten umgaben bis zum Tage, wo wir auf Nimmerwiedersehen Abschied 
nahmen von unserer zweijährigen Heimat. (Siehe die Abbildung S. 308). 
Das ist das Treiben uud Schaffen des Packeises im Winter. 
2. 
Kap Tscheljuskin. 
A. E. von Nordenskiöld. 
Am 19. August (1878) fuhren wir fort, längs der Küste teils zu 
segeln, teils zu dampfen, meist in einem äußerst dichten Nebel, welcher 
sich nur zeitweise so weit zerteilte, daß die Küstenlage unterschieden werden 
konnte. Um nicht getrennt zu werden, mußten beide Fahrzeuges oft mit 
der Dampfpfeife Signale geben. Das Meer war glatt wie ein Spiegel. 
Nur wenig uud stark zerfressenes Eis zeigte sich ab und zu; im Laufe 
des Tages aber dampften wir an einem ausgedehnten ungebrochenen, 
landfesten Eisfelde vorbei, welches eine Bucht an der westlichen Seite 
der Tfcheljuskin-Halbinsel einnahm. Das Eis, aus dem dasselbe bestand, 
erschien im Nebel ungeheuer stark uud hoch, obgleich es in Wirklichkeit 
beinahe ebenso zerfressen war wie das, welches die Eisstreifen bildete, die 
uns hier und da auf dem Meere begegneten. 
1) Das Hauptschiff war die „Bega", das zweite Schiff war die „Lena".
	        
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