\7<). Die Lntwickelungsgeschichte der Lrde.
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Bei einem solchen Sphäroid konnten sich die Ringbildungen wieder¬
holen und aus diesen sich Satelliten entwickeln.
Die Kant-Laplacesche Theorie gründet sich auf folgende Thatsachen:
1. Die Bahnen der Planeten (abgesehen von einigen der kleinen Planeten) liegen
nahe in der gleichen Ebene. 2. Sämtliche Planeten umkreisen die Sonne in der
Richtung von W. nach 0., in der gleichen Richtung die Satelliten die Planeten
(mit Ausnahme der Uranus-Monde, die rückläufig sind). 3. Auch die Rotation der
Sonne und der Planeten, soweit dieselbe uns bekannt, ist von W. nach 0. ge¬
richtet. 4. Die Meteoriten bestehen aus Mineralien, die auch auf der Erde sich
finden. 5. In der Sonne sind, wie das Spektroskop lehrt, fast nur irdische
Grundstoffe vorhanden. 6. Die verschiedenen Stadien, welche die Kant-Laplaeesche
Theorie für das Planetensystem annimmt, lassen sich bei anderen Himmelskörpern
noch jetzt beobachten (Nebelflecke; Saturn-Ringe).
Auf der Erde schritt die Abkühlung weiter fort. Das Erdsphäroid
ging aus den: gasförmigen Zustand allmählich in einett glühendflüssigen
über. In einer weiteren Phase begann an der Außenseite die Schlacken-
bildung und damit die Entstehung einer kalten, nicht leuchtenden
Oberfläche. Allmählich bildete sich eine feste Kruste, die noch beständig
an Dicke zunimmt. Sobald die Oberfläche derselben bis unter den
Siedepunkt des Wassers abgekühlt war, komlten sich auf ihr die Wasser¬
dämpfe kondensieren und sich ein die ganze Erde gleichförmig limgebender
Ozean bilden. Durch Faltungen, Einbrüche und vulkanische Eruptioilen
hoben sich aus dem Ozean Kontinente xtnö Inseln empor, bildeten sich
auf öiefen die Gegensätze von Gebirge und Ebene, Hochland und Tief¬
land aus. Danlit traten aber auch die zerstörenden und nivellierenden
Kräfte der Atinosphäre und des fließenden Wassers in Thätigkeit, und
begann die Sedimentbildung auf dem Boden der Meere. Endlich
war die Wasser- und Lufthülle soweit abgekühlt, um die Entwickelung
organischen Lebens zu ermöglichen. Aber auch jetzt war die Eigen¬
wärme der Erde noch groß genug, um an ihrer gesamten Oberfläche
ein gleichmäßig feuchtwarmes Klima zu bedingen. Noch lange Zeit¬
räume vergingen, bis sie soweit abgekühlt war, daß die Erwärmung
der Atmosphäre und der Wasserhülle allein von der Sonnenwärme
abhängig wurde und sich die klimatischen Unterschiede entwickeln konnten.
Das organische Leben hat sich im Laufe der geologischen Zeit¬
räume mannigfach umgestaltet; es zeigt eine fortschreitende Entwicke¬
lung und Vervollkomnmnng in demselben Schritte, in welchem die
Gliederung der Erde an Mannigfaltigkeit zunähn:.
Diese allmähliche Umwandlung des organischen Lebens hat uns Darwin
durch seine Descendenz-Theorie verständlich zu machen gesucht. Darwin
geht von der Thatsache aus, daß, wenn die Charaktere einer Tier- oder Pflanzenart
sich auch im allgemeinen von den Eltern auf die Nachkommen vererben, sich doch
bei den einzelnen Individuen kleine, zunächst kaum merkliche Veränderungen zeigen,
die bald schädlich bald nützlich für das Individuum sein können. In dem Kampf
ums Dasein, der sich notwendig einstellen muß, da mehr Nachkommen erzeugt
werden, als möglicherweise bestehen können, werden diejenigen Individuen am
meisten Aussicht haben, fortzubestehen und sich fortzupflanzen, welche die nützlichsten
Abänderungen vom elterlichen Typus zeigen. Diese nützlichen Abänderungen
werden sich daher selbst weiter vererben und sich in einer bestimmten Richtung
weiter entwickeln, bis sie zu sehr merklichen Unterschieden geworden sind. Da nun
die mit den hervorragendsten Abweichungen versehenen Individuen die größte
Aussicht auf Fortbestand haben, da ferner unter verschiedenen Lebensbedingungen
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