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252. Leben des deutschen Gebirgsbewohners im Winter.
Wir versetzen uns in die Landschaft eines deutschen Mittel¬
gebirges. Die Schluchten und tiefen Wege sind verschneit; im
Gebirgsdorfe droben ist der Schnee bis ans niedrige Fenster hin¬
aufgestiegen, und an der Ecke, wo der Windzug besonders stark
ist, sogar bis ans graue Strohdach. Wie ausgestorben ist's im
Dorfe, öde und stumm im hochverschneiten Walde, dessen Kiefern
ihre dunkelgrünen Nadelzweige tief betrübt zu Boden senken, da
sie vom Winter Gewalt erleiden müssen und nicht im stände sind,
sich der Schneelast zu erwehren, welche er auf sie häuft. Aber
in den Hütten des Gebirgsdorfes herrscht rege Arbeit, und das
trauliche Licht leuchtet in der Stube bis tief in die Nacht hinein,
indem es durchs Fenster hinaus seinen Schein auf den bleichen
Schnee wirft. Die Mutter sitzt am schnurrenden Spinnrade und
sieht von Zeit zu Zeit in den wärmenden Ofen, wo ein Gericht
Kartoffeln oder Hafermus zubereitet wird. Der Vater dagegen
ist am großen, rohen Holztisch beschäftigt, aus fein geschnittenen
Spänen, aus Klötzchen und Holzschnitzelchen allerlei Weihnachts¬
sachen zu verfertigen, hier eine Schachtel, dort eine Reihe Solda¬
ten, Reiter und Kanonen, hier eine Jagd mit grünen Tannen¬
bäumchen, mit braunen Hirschen und Hasen, dort eine große Stadt
von Häusern und Kirchen mit roten Dächern, oder eine Geige,
eine Trompete, eine Trommel, eine Knarre, und was sonst die
Kinder als Weihnachtsgabe erfreut. Hilfreich gehen ihm die
Kinder zur Hand, leimen und kleben die Stücklein zusammen,
färben und bemalen die Vögel und Tiere, die Menschen und
Häuser, die Trommeln und Trompeten. Jeder strengt seine Er-
ftndungskraft an, um Schönes, Ansprechendes und Gefälliges zu
verfertigen. So sinnt die Armut darauf, das Auge des Reicheren
zu erfreuen, ihm frohe Stunden zu bereiten, damit sie selbst ihr
oft so mühevolles, karges Leben friste. Ist ein hinlänglicher
Vorrat solcher Spielsachen fertig, so erscheint der Aufkäufer und
erhandelt die bunten Sachen zu einem Preise, der oft so niedrig
ist, daß die Familie kaum das liebe Brot dabei verdient. Wäh¬
rend der Thüringer und Harzbewohner vorzugsweise Schachteln,
Spielsachen und Schwefelhölzer verfertigt, fitzt der Schwarzwälder
den langen, trüben Winter in feiner halbverschneiten Hütte, wie
verloren in der weiten Welt, und macht zierliche Holzuhren.
Räder, Scheibchen, Walzen und Leisten mißt er sorgfältig ab,
setzt sie zusammen, probiert, hilft nach, bis eine Uhr nach der
andern an die Wand gehängt wird, wo sie gesellig neben ein¬
ander ticken, als ob sie die Zeit beflügeln wollten. Kommt end-