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Meister ihm wieder Arbeit geben wollte! Mit Heller Lust schlug er
in die dargebotene Rechte desselben ein und arbeitete wieder wacker
darauf los wie ehedem.
Jetzt sind Jahre darüber hingegangen. Meister Wernthals ehr¬
liche Haut modert seit längerer Zeit schon unter dem grünen Efeu¬
gerank, das Liebe und Dankbarkeit ihm gepflanzt haben, und auch
Friedrichs Mütterchen ist inzwischen zur ewigen Ruhe eingegangen.
Beide haben aber vor ihrem Heimgänge aus dem Erdenleben noch
segnend ihre Hände ausgebreitet über Friedrich Breitkopf und Lieschen
Wernthal, das schmucke Töchterchen des braven Meisters, und das
letztere hat mir, als der junge Meister Breitkopf diese seine Geschichte
mir erzählte, ihr jüngstes Krausköpschen aus die Kniee gesetzt, um
mir und ihrem Gemahl einen Krug Bier zu holen. Das Kraus¬
köpfchen hat dem Oukel Rode den Bart zerzaust, daß diesem die
Tränen aus den Augen gelaufen sind; aber die Geschichte des
Meisters Breitkops hat ihn dennoch von Herzen gefreut, namentlich
der Schluß derselben, zu dem ja das bartzausende Krausköpfchen
unmöglich fehlen durfte. —
Ja, ja, Handwerk ehrt, Handwerk nährt. Karl R°de
33. Die Gehilfen des Todes.
Hinter der Werkstatt des Meisters Ehrlich stand ein großer
Holunderstrauch mit vielen knorrigen Stämmen und schlanken
Zweigen. Hier spielten und sangen sonst die Kinder der Nach¬
barschaft; aber heute war es ganz still unter dem schattigen
Laubdache. Nur Gottfried, der einzige Sohn des Meisters Ehr¬
lich, hatte sein Lieblingsplätzchen aufgesucht. Er schaute
wehmütig der untergehenden Sonne nach und dachte dabei an
den lieben Bruder und an den Spielgenossen, die so früh in die
kühle Erde gesenkt wurden. Da stand plötzlich ein unbe¬
kannter Jüngling vor ihm. Der zeigte mit einer verlöschenden
Fackel auf die Erde, und sein langes, schwarzes Haar umflatterte
ein großer Schmetterling. „Ich bin der Tod,“ sagte der Fremde
mit ernster Stimme; „du hast die goldene Abendsonne zum
letztenmal gesehen, und die Blüten des Holunderstrauches
duften nicht mehr für dich. Folge mir, wie auch dein Bruder
und dein Freund mir gefolgt sind!“ „0, habe Erbarmen mit
meiner Jugend!“ flehte Gottfried, „sieh meine flinken Beine,
meine rüstigen Hände, meine hellen Augen und roten Wangen!
Denke auch an meine armen Eltern, denen du den besten Sohn
geraubt hast! Sieh, wie ihr Haar vor Schmerz gebleicht und
ihre Stirne mit Falten durchzogen ist! Willst du zum zweiten¬
mal Trauer und Tränen in unser Haus bringen?“ „Deine
guten Eltern dauern mich,“ versetzte der Tod, indem er einen
Schritt zurücktrat; „um ihretwillen sollst du noch einmal ver-