fullscreen: Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen

63 
Meister ihm wieder Arbeit geben wollte! Mit Heller Lust schlug er 
in die dargebotene Rechte desselben ein und arbeitete wieder wacker 
darauf los wie ehedem. 
Jetzt sind Jahre darüber hingegangen. Meister Wernthals ehr¬ 
liche Haut modert seit längerer Zeit schon unter dem grünen Efeu¬ 
gerank, das Liebe und Dankbarkeit ihm gepflanzt haben, und auch 
Friedrichs Mütterchen ist inzwischen zur ewigen Ruhe eingegangen. 
Beide haben aber vor ihrem Heimgänge aus dem Erdenleben noch 
segnend ihre Hände ausgebreitet über Friedrich Breitkopf und Lieschen 
Wernthal, das schmucke Töchterchen des braven Meisters, und das 
letztere hat mir, als der junge Meister Breitkopf diese seine Geschichte 
mir erzählte, ihr jüngstes Krausköpschen aus die Kniee gesetzt, um 
mir und ihrem Gemahl einen Krug Bier zu holen. Das Kraus¬ 
köpfchen hat dem Oukel Rode den Bart zerzaust, daß diesem die 
Tränen aus den Augen gelaufen sind; aber die Geschichte des 
Meisters Breitkops hat ihn dennoch von Herzen gefreut, namentlich 
der Schluß derselben, zu dem ja das bartzausende Krausköpfchen 
unmöglich fehlen durfte. — 
Ja, ja, Handwerk ehrt, Handwerk nährt. Karl R°de 
33. Die Gehilfen des Todes. 
Hinter der Werkstatt des Meisters Ehrlich stand ein großer 
Holunderstrauch mit vielen knorrigen Stämmen und schlanken 
Zweigen. Hier spielten und sangen sonst die Kinder der Nach¬ 
barschaft; aber heute war es ganz still unter dem schattigen 
Laubdache. Nur Gottfried, der einzige Sohn des Meisters Ehr¬ 
lich, hatte sein Lieblingsplätzchen aufgesucht. Er schaute 
wehmütig der untergehenden Sonne nach und dachte dabei an 
den lieben Bruder und an den Spielgenossen, die so früh in die 
kühle Erde gesenkt wurden. Da stand plötzlich ein unbe¬ 
kannter Jüngling vor ihm. Der zeigte mit einer verlöschenden 
Fackel auf die Erde, und sein langes, schwarzes Haar umflatterte 
ein großer Schmetterling. „Ich bin der Tod,“ sagte der Fremde 
mit ernster Stimme; „du hast die goldene Abendsonne zum 
letztenmal gesehen, und die Blüten des Holunderstrauches 
duften nicht mehr für dich. Folge mir, wie auch dein Bruder 
und dein Freund mir gefolgt sind!“ „0, habe Erbarmen mit 
meiner Jugend!“ flehte Gottfried, „sieh meine flinken Beine, 
meine rüstigen Hände, meine hellen Augen und roten Wangen! 
Denke auch an meine armen Eltern, denen du den besten Sohn 
geraubt hast! Sieh, wie ihr Haar vor Schmerz gebleicht und 
ihre Stirne mit Falten durchzogen ist! Willst du zum zweiten¬ 
mal Trauer und Tränen in unser Haus bringen?“ „Deine 
guten Eltern dauern mich,“ versetzte der Tod, indem er einen 
Schritt zurücktrat; „um ihretwillen sollst du noch einmal ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.