Full text: Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz

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Die Dame. Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich 
der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen 
früh beschwerlich fallen, Herr Major. Ich reife auf das Land, wo mir 
eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht 
fürs erste angeboten. — 
v. Tellh eim (zu Just). Geh, laß uns allein! — 
6. Auftritt. 
Die Dame, o. Tellh eim. 
v. Tellh eim. Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen 
Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen? 
Die Dame. Mein Herr Major — 
0. Tellheim. Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich 
Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, 
sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel. 
Die Dame. Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner 
Freundschaft waren, wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein 
letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen ge¬ 
wesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für 
seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert. 
v. Tellheim. Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit 
Ihnen gern, aber ich habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! 
Sie finden mich in einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre wider 
die Vorsicht zu murren. — O mein rechtschaffener Marloff! Geschwind, 
gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen 
imstande bin, wenn ich es bin — 
Die Dame. Ich darf nicht abreisen ohne seinen letzten Willen 
zu vollziehen. Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr 
Schuldner sterbe, und beschwor mich diese Schuld mit der ersten Barschaft 
zu tilgen. Ich habe meine Equipage* verkauft und komme seine Hand¬ 
schrift einzulösen. — 
v. Tellh eim. Wie, gnädige Frau, darum kommen Sie? 
Die Dame. Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzähle, 
v. Tellh eim. Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? Das 
kann schwerlich sein. Lassen Sie doch sehen! (Er zieht sein Taschenbuch 
heraus und sucht.) Ich ftube nichts. 
Die Daine. Sie werden seine Handschrift verlegt haben und die 
Handschrift tut nichts zur Sache. — Erlauben Sie — 
v. Tellh eim. Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu ver¬ 
legen. Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine 
* Equipage — Schiff und Geschirr; Ausrüstung; Kutsche mit Pferd.
	        
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