202 III. Ztr. Die neuere Zeit, von der Reformation bis jetzt.
64. Das Jahr 1/69. Minden. Kanersdorf. Maxen.
Aber dennoch wurde des großen Königs Lage mit je¬
dem Jahre schlimmer. Die Oestreichs behielten, trotz der
großen Verluste, immer noch einen Kern alter Soldaten,
von welschen die Nengeworbencn den Krieg lernen konnten.
Friedrich aber mnßtö mit demselben Heere (jcgcit Oestrei¬
cher, Russen, Franzosen, Schweden und Reichsvölker fech¬
ten, und daher schmolz dasselbe so zusammen, daß von
seinen alten Kriegern nur sehr wenige dem Schwerdte und
den Krankheiten entronnen waren. Sein Heer wurde mit
jedem Jahre schlechter: die öftrcichschen schienen dagegen
besser zu werden; und außerdem rüsteten sich die Franzo¬
sen und Russen mit verdoppelter Thätigkeit zu diesem Feld¬
zuge des Krieges. Die Franzosen wolltest durchaus das
hannöversche Land wieder erobern, um daran ihre Rache
für die vielen Verluste zu nehmen, welche sie zur See
durch die Engländer erleiden mußten. Sie rüsteten zwei
starke Heere ans, von denen das eine von Frankfurt her in Hes¬
sen, das andere von Düsseldorf aus durch Weftphalen ge¬
gen Hannover vordringen sollte. Dagegen batte der Prinz
Ferdinand nur ein mäßiges Heer'von Engländern, Han¬
noveranern und Hessen, Und sollte damit die weite Land-
strecke von Frankfurt bis an die holländische Gränze ver¬
theidigen. Er wandte sich zuerst gegen das Heer, welches
von Frankfurt kommen sollte, und griff cs bei dem Dorfe
Bergen, nicht weit von Frankfurt, an. Aber die Stel¬
lung der Franzosen war zu fest; er mußte den Angriff
aufgeben, um nicht sein ganzes Heer auffs Spiel zu se¬
tzen, und nun kam der französische Marschall Eontades
durch Weftphalen her in seine rechte Flanke, so daß er
eiligst an der Weser hinunter bis Bremen zurückweichen
mußte. Münster, Minden, Paderborn und Kassel kamen
.in die Hände der Franzosen, und auch Hannover schien
verloren zu seyn. In Paris war lautes Frohlocken. Plötz¬
lich aber rückte der unermüdete Ferdinand mit seinem Hee¬
re wieder vor und griff den französischen Marschall am
1. Aug. bei Minden an. Dieser hatte eine ganz neue
Stellung seines Heeres angeordnet und die schwere Reu-
terei in die Mitte der Schiachtbrdnnng gestellt. Er wollte
vielleicht im entscheidenden Augenblick damit den. Mittel¬
punkt des verbündeten Heeres durchbrechen. Ferdinand
aber ließ sich dadurch nicht irre machen. Er versuchte auch
stine ganz neue Art des Kampfes, die der französische
Marschall gewiß nicht erwartet hatte; er ließ das hannö-
persche und englische Fußvolk, auf welches tr sich ganz