136 B. Beschreibende Prosa. VII. Geographische Bilder.
Fläche, gleich einer ungeheuer großen Scheibe. Am Rande derselben
weiter hinaus kommt nichts mehr, dort ist gleichsam der Himmel
an sie angefügt, der wie eine große, hohle Halbkugel über ihr steht
und sie bedeckt. Dort geht am Tage die Sonne auf und unter, bald
früher, bald später, bald links an einem gewissen bekannten Berg oder
Haus, bald rechts, und bringt Tag und Nacht, Sommer und Winter.
Das wäre nun alles ganz gut, wenn’s niemand besser wüßte;
aber die Stemseher und Kalendermacher wissen’s besser. Denn erst¬
lich: wenn einer daheim weggeht und reisen will bis ans Ende
der Erde, bis an den Rand, wo der Himmel auf der Erde zu hegen
scheint, und er geht am ersten April vom Hause aus, so hat er
den rechten Tag gewählt. Denn er kann reisen, wenn er will, durch
Deutschland, durch Polen, durch Rußland, nach Asien hinein, vom
Land aufs Wasser und vom Wasser wieder aufs Land und immer
weiter. Aber endlich, wenn er daran denken will, wie lang er schon
von den Seinigen weg ist, und wie weit er noch zu reisen hat
ans Ende der Erde und wieder zurück, auf einmal wird’s ihm heim¬
lich in seinem Gemüt, es wird nach und nach alles, wie es daheim
war, er hört seine Landessprache wieder sprechen, zuletzt erblickt
er von weitem einen Kirchturm, den er auch schon gesehen hat,
und wenn er auf ihn hingeht, kommt er in ein wohlbekanntes Dorf
und hat nur noch zwei Stunden oder drei, so ist er wieder daheim
und hat das Ende der Erde noch nicht gesehen. Nämlich er reist
um die Erde, wie man einen Strich mit Kreide um eine Kugel
herum zieht, und kommt zuletzt wieder auf den alten Fleck, von
dem er ausging.
Daraus und aus mehreren anderen Gründen erkennen die Ge¬
lehrten folgendes: Die Erde ist nicht eine ausgebreitete, rund
abgeschnittene Fläche, nein, sie ist eine ungeheuer große Kugel.
Weiter: Sie hängt und schwebt frei und ohne Unterstützung, wie die
Sonne und der Mond, in dem unermeßlichen Raum des Weltalls
zwischen lauter himmlischen Sternen. Weiter: Sie ist rings um
und um, wo sie Land hat, und wo die Hitze oder der bittere Frost
es erlaubt, mit Pflanzen ohne Zahl besetzt und von Tieren und
vernünftigen Menschen belebt. Man muß nicht glauben, daß auf
diese Art ein Teil der Geschöpfe mit dem Kopfe abwärts hänge,
und in Gefahr stehe, von der Erde weg und in die Luft hinab¬
zufallen. Dies ist lächerlich. Überall werden die Körper durch
ihre Schwere an die Erde angezogen und können ihr nicht
entlaufen.
Der Durchmesser der Erde beträgt in gerader Linie von einem
Punkte der Oberfläche durch das Centrum hindurch bis zum andern
Punkte 1713 deutsche Meilen, der Umkreis 5400 deutsche Mellen.