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Die „Lokalen Fachvereine“ traten teilweise in scharfen Gegensatz
zu den zentralisierten Gewerkschaften, indem sie sich dafür entschieden, daß
der gewerkschaftlicheiKampf von dem politischen nicht getrennt werden könne
und daß deshalb die Gewerkschaften so organisiert werden müßten, daß sie
im engsten Anschluß an die Sozialdemokratie den wirtschaftlichen und poli¬
tischen Klassenkampf nach allen Richtungen hin führen könnten. Die Mit¬
gliederzahl der Lokalorganisationen betrug im Jahre 1907 17 633.
Als konfessionelle Organisationen kommen die „evangelischen Arbeiter¬
vereine“ in Betracht. Der erste wurde 1882 in Gelsenkirchen gegründet.
1890 kam der „Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine“ zur Bil¬
dung. Die Vereine stehen auf dem Boden des evangelischen Bekenntnisses,
halten treu zu Kaiser und Reich und haben auch den Zweck, das friedliche
Verhältnis zwischen Arbeitern und Arbeitgebern nach Möglichkeit zu wahren.
Innerhalb des Verbandes bestehen verschiedene Richtungen, so besonders in
orthodox-pietistischer, liberaler und in sozialpolitischer Beziehung.
Die Stellungnahme zur Sozialpolitik und zur Sozialdemokratie führte
dahin, daß 38 Vereine mit 7792 Mitgliedern aus dem Verein austraten und
1901 einen selbständigen „Evangelischen Arbeiterbund“ gründeten. Auch der
Württembergische Verband trat 1902 aus. Dem Gesamtverbande gehörten
1908 580 Vereine mit über 94 000 Mitgliedern an. Ferner gehören die
„F achvereine" der katholischen Arbeitervereine hierher.
Die sogenannten „christlichen Gewerkschaften“, als deren
erste 1894 der „Verband deutscher Eisenbahn-Handwerker und Arbeiter“
in Trier gegründet wurde, besaßen 1907 20 Organisationen mit 3245 Orts¬
gruppen und gegen 275 000 Mitglieder.
Zuerst im Jahre 1903, dann 1907 sind die nationalen Arbeitervereine
und Gewerkschaften zwecks gemeinsamen sozialpolitischen Wirkens im
„Deutschen Arbeiterkongreß“ zusammengetreten. Die Gelben
Gewerkschaften (bei einem Bergarbeiterstreik in Frankreich wurden
den gemäßigten Elementen der Arbeiter die Fenster eingeworfen und mit
gelbem Papier wieder geschlossen) wollen Entwicklung der Arbeiter
zu kleinen Teilhabern am Kapital und gütliche Auseinandersetzung mit den
Arbeitgebern statt des Klassenkampfes.
Die Hauptaufgaben dieser Gewerkschaften sind die Hebung der leib¬
lichen und geistigen Lage der Arbeiter.
Die politischen Parteien.
Die Deutsch-Konservativen haben ihre politische Organisation
zuerst 1848 in Preußen ausgebildet.
Die größte Zahl konservativer Abgeordneter, nämlich 80, wurde 1887
gewählt. Die kleinste, 21, im Jahre 1874. 1907: 59 Abgeordnete.
Das heute geltende offizielle Programm der konservativen Partei ist das
„Tivoli-Programm“ vom 4. Dezember 1892, das in der Hauptsache „die
Erhaltung des heutigen Zustandes auf Grund einer christlich-monarchischen
Weltanschauung“ zum Inhalt hat. Im Jahre 1866 sonderten sich von den
Konservativen eine Reihe von Abgeordneten ab, die sich als „Fr ei konser¬
vative Partei“ zu einer neuen Fraktion zusammenschlossen. Im konsti¬
tuierenden Reichstage (1867) wurde eine der freikonservativen Fraktion des
preußischen Abgeordnetenhauses entsprechende Gruppe „Freie konservative
Vereinigung gebildet; aus dieser entstand dann später die „Deutsche
Reichspartei“. Die freikonservative Richtung unterscheidet sich beson¬
ders in Kulturfragen von der konservativen. 1878 gehörten der Reichspartei
56 Abgeordnete an, 1907 24.
Die „Wirtschaftliche Vereinigung“ besteht aus folgenden
Gruppen: 1. Braunschweigische Welfen; 2. Bund der Landwirte (vertreten
durch meist süddeutsche Abgeordnete; die norddeutschen Mitglieder des
Bundes der Landwirte pflegen sich gewöhnlich andern Parteien anzu¬
schließen, namentlich den Konservativen); 3. Christlich-soziale; 4. Deutsch-