260 6. Sonstige Verwaltungsaufgaben des modernen Staates.
gekündigt durch die Botschaft Kaiser Wilhelms J. vom 17. November
1881, von Bismarck in den Jahren 1883—1889 durchgesetzt wurde.
Ihr Zweck ist die Fürsorge für die Arbeiterschaft in Fällen der Erkran—
kung, des Unfalls, des Alters oder der Invalidität. In diesen
Gesetzen ist zum erstenmal der Gedanke verwirklicht, daß die Gesamtheit
der Arbeitgeber und Arbeiter zu einer gemeinsamen Organisa—
tion zwangsweise zusammengeschlossen wird, um so, unterstützt
durch die Zuschüsse des Reiches, die Mittel zur Fürsorge für den Ver—
sicherten in Fällen der Not aufzubringen. Zurzeit sind durch diese Ge—
setze 13523,7 Millionen Arbeiter versichert; die Unterstützungsbeträge,
die sie bezogen haben, beliefen sich im Jahre 1908 insgesamt auf rund
670 Millionen Mark! Diese Gesetzgebung beginnt immer mehr bei
anderen Kulturstaaten vorbildlich zu werden. In Deutschland ist ihre
Ausdehnung auf eine Versicherung der Witwen und Waisen grund—
sätzlich gesetzlich festgelegt, und man erörtert bereits seit längerer Zeit
in Fachkreisen, ob es nicht möglich wäre, eine letzte große wirtschaftliche
Gefahr, die die moderne Arbeiterschaft bedroht, durch eine solche Ver—
sicherungsgesetzgebung zu lindern, die Arbeitslosigkeit. Die ersten
Schritte hierzu sind vom Reich, den Einzelstaaten und Gemeinden bereits
eingeleitet, insofern als man begonnen hat, die Schaffung von ständigen
Arbeitsnachweisen für die Arbeiterschaft als eine öffentliche Auf—
gabe anzusehen und zu erfüllen.
Dazu gesellen sich dann die Bestrebungen des Staates, die Arbeiter vor
den Gefahren für Gesundheit und Leben zu schützen, die eine ungezügelte
Konkurrenz und die Gefährlichkeit der heutigen maschinellen Betriebs—
weise mit sich bringt. Das ist das weite Gebiet des staatlichen Ar—
beiterschutzes. Da wird z. B. verhindert, daß Kinder unter 14
Jahren in Fabriken arbeiten; Frauen dürfen nicht mehr als 11 Stunden
täglich in solchen Gewerbebetrieben arbeiten, für Männer sind in ein—
zelnen besonders gesundheitsschädlichen Betrieben eingehende Vorschriften
erlassen worden. Dieser Arbeiterschutz ist ein immer sich vergrößern—
des Kapitel in unserer Gewerbeordnung geworden. Kber nicht nur
dem Arbeiterstand wendet der Staat heute diese Aufmerksamkeit zu,
sondern grundsätzlich allen denjenigen Schichten der Gesellschaft, die aus
eigener Kraft nicht imstande sind, gewisse wirtschaftliche Schäden zu
überwinden. Die Arbeiterwohlfahrtspflege erweitert sich zur sozialen
wohlfahrtspflege. Ein Beispiel bietet hier die Bekämpfung der