Full text: Staats- und Bürgerkunde

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sichern, in denen es auch im 20. Jahrhundert seinen Bedarf an 
Erzeugnissen der gemäßigten und der Tropenzone unter den 
denkbar günstigsten Bedingungen beschaffen kann. Bietet es keinen 
Raum mehr für die Vermehrung der deutschredenden Bevölkerung, 
und hat es für diese keine Abzugskanäle in Gefilde, auf denen 
deutsche Saat weiter gedeihen kann, so werden die Nachbarn die 
Ströme ablenken und alsbald ihm die Herrschaft auch im eigenen 
deutschen Lande bestreiten. Kann es sich nicht freien Zutritt 
überall in der Welt nötigenfalls mit den Waffen offenhalten, so 
wird sich ihm diese auch wirtschaftlich verschließen. Die Verträge 
der Zukunft werden nur zwischen Gleichmächtigen geschlossen und 
gehalten, den Schwachen aber aufgezwungen werden. Wenn 
Deutschland sich den Zutritt zur See nicht wahren kann, so muß 
sich an ihm das Wort eines berühmten Mannes erfüllen: 
„Die See ist die Hochstraße des Erdballs, die See ist der 
Paradeplatz der Nationen, die See ist der Tunrmelplatz der Kraft 
und des Unternehmungsgeistes für alle Völker der Erde und die 
Wiege ihrer Freiheit. Wer an der See keinen Teil hat, der ist 
ausgeschlossen von den guten Dingen und Ehren der Welt, der 
ist unsres lieben Herrgotts Stiefkind. 
Eine Nation ohne Schiffahrt ist ein Vogel ohne Flügel, 
ein Fisch ohne Flossen, ein zahnloser Löwe, ein Ritter 
mit hölzernem Schwert, ein Knecht der Menschheit." 
Nach Dr. Ernst von Halle (Volks- und Seewirtschaft). 
118. Unser tägliches Leben und der 
Überseeverkehr. 
Wir erheben uns morgens, um an unser Tagewerk zu gehen; 
wir entschlüpfen, wie man scherzhaft zu sagen pflegt, den Federn. 
Soeben noch träumten wir von fernen Ländern mit fremdartigen 
Dingen und fremdartigen Menschen, — sollten vielleicht gar die 
Federn daran schuld sein? Nicht unmöglich, erzählte uns doch 
neulich der Großhändler drüben, daß ein großer Teil des deutschen 
Bettfedernbedarfs aus dem Reiche der Mitte, aus China, dem 
Lande der bezopften Leute, stammt. Und wirklich verhält es sich 
so. Schon seit lange vermag Deutschland seinen Bedarf an Bett¬ 
federn nicht mehr zu decken, und so bezahlte es ini Zähre 1900 
für die Mehreinfuhr an solchen bereits 16V2 Millionen Mark. 
Unser Nachbarland Österreich-Ungarn mußte an erster Stelle aus¬ 
helfen, nächst diesem aber das im fernen Ostasien gelegene China 
mit 55000 Zentnern. Da schwammen dann die luftigen Gesellen 
üiele Wochen lang auf wogender See einher, bis sie nun, zu 
Tausenden von Kissen und Betten verarbeitet, umhüllt von 
schimmernder Leinwand, deutschen Schläfern als Ruhepolster 
dienen. Auch die Leinwand könnte mancherlei erzählen von 
fremder Erde und Seefahrtabenteuern; denn auch ihre Wiege
	        
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