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zum Wöhle der Arbeiter besondere Gesetze geschaffen. 1883 kam das Kranken¬
kaffengesetz zustande, das den Arbeiter in Tagen der Krankheit vor Not und
Elend schützt. Ein Jahr später trat das Unsallversicherungsgesetz in Kraft,
das solchen Arbeitern, die durch einen Unfall in ihrem Berufe ganz oder teil¬
weise erwerbsunfähig geworden sind, eine fortlaufende Geldunterstützung oder
Rente gewährt.
Das Gesetz der Invaliden- und Altersversorgung wurde vorbereitet, konnte
aber erst unter unserem jetzigen Kaiser vollendet werden.
d) Die Erwerbung von Kolonien. Schon längst hatten deutsche Kauf¬
leute in überseeischen Ländern Handelsniederlassungen gegründet; doch hatten
diese unter der Feindschaft der Wilden und dem Neid der Großmächte viel
zu leiden. Ähnlich ging es den Missionsstationen. Daher wurde die For¬
derung laut, das Reich solle Kolonien erwerben. 1884 wurde Deutsch-Süd-
westafrika, wo der Bremer Kaufmann Lüderitz große Besitzungen erworben
hatte, unter den Schutz des Reiches gestellt. Dann folgten Togoland, Ka¬
merun, Deutsch-Ostafrika, Kaiser Wilhelmsland auf Neu-Guinea, der Bismarck¬
archipel, ein Teil der Salomoninseln und die Marschallinseln. Alle diese
Erwerbungen wurden von England mit Mißgunst und versteckter Feindschaft
verfolgt. Nur schwer konnte sich das mächtige Jnselreich an den Gedanken
gewöhnen, daß nun auch das Deutsche Reich in die Reihe der Kolonial¬
mächte getreten war.
3. Kaiser Wilhelm als Hort des Friedens. Kaiser Wilhelm
und sein Kanzler waren nach 1871 bestrebt, den europäischen Frieden mit
allen Mitteln zu erhalten. In erster Linie wurde dieser durch die Franzosen
bedroht; sie konnten den Verlust Elsaß-Lothringens nicht verschmerzen und
blieben mit Rachegedanken gegen Deutschland erfüllt. Von Jahr zu Jahr
verstärkten sie ihre Land- und Seemacht und warteten auf einen geeigneten
Augenblick, um Deutschland anzugreifen. Deshalb war unser Vaterland
gezwungen, seine Streitkräfte auch zu vermehren. Die Friedensstärke des
Heeres wurde mehrmals erhöht und daun auf sieben Jahre feßgestellt. Die
Ausrüstung des Heeres, besonders die Bewaffnung, wurde stets den neuen
Gründungen gemäß verbessert. Auch die Kriegsflotte wurde weiter'ausgebaut;
Kiel und Wilhelmshafen wurden Reichskriegshäfeu. — Bismarck sicherte aber
den Frieden noch auf andere Weise. Er schloß mit Rußland und Österreich
das Dreikaiserbündnis. Nun hütete sich Frankreich, den Frieden zu stören.
Leider trat Rußland infolge des russisch-türkischen Krieges von diesem Bünd-
nisse zurück. Rußland hatte 1878 die Türken besiegt, bekam aber als Sieges¬
preis nur Teile von Armenien. Rußland schob die Schuld auf Bismarck,
der den Frieden vermittelt hatte. Als nun Rußlands Freundschaft erkaltete,
schloß Bismarck zunächst mit Österreich ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis;
später trat Italien noch hinzu. So entstand der Dreibund, der noch heute
den europäischen Frieden gegen jede Störung von Westen oder Osten her
sichert.
4. Kaiser Wilhelms Lebensabend, a) Glück und Leid. Kaiser
Wilhelm regierte fast dreißig Jahre. Vom stützen Morgen an war er tätig