B. III. B. 5. Konrad Ferdinand Meyer. 
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2. Schnitterlied. 
Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, 
mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, 
von donnernden, dunkeln Gewittern bedroht — 
gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe! 
Von Garbe zu Garbe 
ist Raum für den Tod — 
wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! 
Hoch thronet ihr Schönen ans güldenen Sitzen, 
in strotzenden Garben, umflimmert von Blitzen — 
nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot! 
Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde! 
Von Munde zu Munde 
ist Raum für den Tod — 
wie schwellen die Lippen des Lebens so rot! 
3. Neujahrsglocken. 
In den Lüsten schwellendes Gedröhne, 
leicht wie Halme beugt der Wind die Töne: 
leis verhallen, die zum ersten riefen, 
neu Geläute hebt sich aus den Tiefen. 
Große Heere, nicht ein einzler Rufer. 
Wohllaut flutet ohne Strand und Ufer. 
4. Schutzgeister (Goethe-Jahrb. 1887). 
Nahe wieder sah ich glänzen 
meiner Firne scharfe Grenzen, 
meiner Alpen weiße Bünde, 
wurzelnd tief im Kern der Schweiz; 
wieder bin ich dort gegangen, 
wo die graden Wände hangen 
in des Sees geheime Gründe 
mit dem dunkelgrünen Reiz. 
Nimmer war ein Tag so helle, 
niemals reiner meine Augen, 
Erd' und Himmel einzusaugen; 
meine Schritte gingen sacht. 
Schauend pilgert' ich und lauschte, 
weil ein guter Weggeselle 
heimlich Worte mit mir tauschte 
von der Berge Herzensmacht. 
Traulich fühlt' ich seine Nähe, 
und mir ward, ob ich ihn sähe. 
Und er sprach: „Vor manchen Jahren 
bin ich rüstig hier gereist, 
hier geschritten, dort gefahren!" 
Und er lobte Land und Leute, 
daß sich meine Seele freute 
an dem liebevollen Geist. 
Und er wies auf ein Gelände: 
„Hier an einem lichten Tage 
fand ich eure schönste Sage, 
und ich nahm sie mit mir fort. 
Wandernd hab' ich dran gesonnen; 
was zu bilden ich begonnen, 
legt' in Schillers edle Hände 
nieder ich als reichen Hort." 
Da er seinen Bruder nannte 
und mir drob das Herz entbrannte, 
war's, als schlügen weite Flügel 
sausend über mir die Luft, 
Schwingen, die den Raum besiegen, 
wie sie nicht um niedre Hügel 
flattern, Schwingen, die sich wiegen, 
herrschend über Berg und Kluft. 
Selig war ich mit den beiden; 
Dämmerung verwob die Weiden, 
und ich sah zwei treue Sterne 
über meiner Heimat gehn. 
Leben wird mein Volk und dauern 
zwischen seinen Felsenmauern, 
wenn die Dioskuren gerne 
segnend ihm zu Haupte stehn.
	        
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