Epische Uoche.
Man erinnere sich, was wir oben über das Wesen der epischen
Poesie gesagt haben. Alles, was der epische Dichter erzählt, muß
so erzählt werden, daß es das Gefühl in Anspruch nimmt und die
Phantasie auf eine angenehme Weise beschäftigt. Nur selten sind
Ereignisse von der Art, daß sie sich von selbst dazu eignen; daher
muß sie der Dichter nach seinem Plane umwandeln, oder er kann
auch Thaten erzählen, die nie geschehen sind. Er kann entweder
seinen Gegenstand ernst oder komisch erzählen, je nachdem er Be¬
wunderung oder Lachen erregen will. Die dahin gehörenden
Dichtungsarten sind:
1. Das ernste Heldengedicht.
2. Das komische Heldengedicht.
3. Die Romanze und Ballade.
4. Die Legende.
5. Die poetische Erzählung.
6. Der Roman, die Novelle und das Mährchen.
1. Das ernste Heldengedicht (Epos).
Das Epos ist die dichterische Erzählung einer vergan¬
genen Begebenheit. Hierdurch unterscheidet es sich von dem
lyrischen Gedicht, welches eine gegenwärtige Empfindung aus¬
drückt, wie von dem Drama, welches uns eine Handlung als
vollkommen gegenwärtig vorführt. Im ernsten Heldengedichte läßt
der Dichter einen mit außerordentlicher Kraft, oder mit großem
Heldenmuthe, oder ungemeiner Klugheit, oder ausgezeichneter Tu¬
gend, überhaupt also mit Seelenaröße begabten Menschen gegen