Vierter Abschnitt
Dramatische Uoefle.
Die wesentlichen Eigenschaften der dramatischen Poesie haben
wir schon oben angeführt, und gesehen, wie sie sich von der epi¬
schen unterscheide. Das Drama in der weitern Bedeutung des
Wortes ist die Darstellung einer Handlung, d. h. einer Reihe
von Begebenheiten, von denen die früheren als die Ursachen der
späteren, diese demnach als die Wirkungen der ersteren erscheinen,
und welche sämmtlich nach Einem und demselben Ziele hinstreben.
Diese Handlung wird im Drama als gegenwärtig dargestellt,
und entwickelt sich in der Gegenüberstellung verschiedener Personen,
welche redend und hanoelnd auftreten.
Eines wie das Andere erfolgt dem Charakter und den Sitten
derselben gemäß, und eine richtige und consequent durchgeführte
Charakteristik der handelnden Personen ist daher die unerläßliche
Aufgabe des Dramatikers; da aber der Endzweck des Dramas
doch — die Handlung ist, so folgt daraus, daß diese nicht zum
Behuf der Sittenschilderung da ist, sondern umgekehrt. Unter
den Personen ist die eine der Held des Stückes, um den sich die
Handlung dreht, auf den sich alles bezieht. Der Dichter läßt ihn
in Hindernisse und Verlegenheiten gerathen, die erst am Ende des
Stückes überwunden werden. Dies nennt man: den Knoten
schürzen und ihn auflösen. Wird er statt dessen am Ende
zerhauen, d. i. werden die Schwierigkeiten durch das plötzliche
Erscheinen einer unerwarteten Person gehoben, so ist das ein Fehler,
weil ein solcher Ausgang unwahrscheinlich ist. Man nennt dies
einen Theatercoup.
Jedes längere dramatische Gedicht ist in verschiedene Auf¬
züge oder Akte getheilt, damit der Zuschauer Ruhepunkte habe