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Jeder Akt muß ein Ganzes für sich ausmachen; daher ist es nicht
gleichgültig, mann ein Akt endigt; es muß die Handlung wirklich
einen Nuhepunkt nöthig machen. Mehr als 5 Akte pflegen nicht
leicht vorzukommen. Die Akte zerfallen wieder in Scenen oder
Auftritte, deren kürzere oder längere Dauer von dem Gange
der Handlung abhängt.
Vor Allem muß jedes dramatische Stück Einheit der Hand¬
lung zeigen.
Zur Einheit der Handlung gehört, daß alle Personen,
Handlungen und Ereignisse nothwendig zuni Ganzen gehören.
Es darf danach keine Person, kein Akt, keine Scene überflüssig
sein; jedes muß zur Bildung des Ganzen etwas beitragen. Finden
wir, daß etwas, unbeschadet des Ganzen oder wohl gar zum Vor¬
theile des zu machenden Eindrucks, hätte wegbleiben können, so
hat der Dichter gegen die Einheit der Handlung gefehlt.
Seinen Stoff kann der Dichter entweder aus der Geschichte
nehmen (historisches Drama), und dann steht ihm wie dem epi¬
schen Dichter frei, von der historischen Wahrheit abzuweichen, so
viel wie er will, oder er schöpft ihn aus seiner Phantasie.
Alle dramatischen Gedichte werden in vier Klassen geordnet:
das Trauerspiel, das Lu st spiel, das Schauspiel und das
Singspiel.
1. Das Trauerspiel (Tragödie).
Wie bei'm ernsten Heldengedicht sehen wir im Trauerspiel den
Helden des Stücks gegen die wider ihn anstürmende Gewalt des
Schicksals oder der Leidenschaften kämpfen. Immer aber müssen
es sittliche Mächte sein, mit welchen er in Conflikt geräth;
denn das Tragische im Drama ist das sittlich Erhabene. Die
Seelengröße des Helden erweckt bei den Zuschauern lebhafte
Theilnahme für sein Schicksal. Bald fürchten sie, er werde unter¬
liegen, bald hoffen sie, er möge den Sieg davon tragen, bis er
zuletzt wirklich unterliegt. Aber der Schmerz darüber im Herzen
der Zuschauer wird gemildert durch die Bewunderung der Kraft
des Helden selbst im Augenblicke seines Falles. Darum muß der