245
Die Errungenschaft des Jahres 1866 beträgt 73 000 qkm. Durch keinen
früheren Feldzug hat Preußen eine so bedeutende Vergrößerung erhalten. Der
Wert derselben wird aber durch die Lage und Beschaffenheit der er¬
worbenen Länder noch unvergleichlich erhöht. Preußen hat diejenigen Gebiete
in sich aufgenommen, die den Zusammenhang seiner östlichen und westlichen
Provinzen störten, und dadurch eine Ausdehnung und Abrundung erhalten, die
es ihm gestatten, seine Stellung als Großmacht in jeder Beziehung leichter und
nachdrucksvoller als bisher geltend zu machen. Auch gebietet es jetzt nicht bloß
über Ostsriesland, sondern über das ganze norddeutsche Küstenland von Schleswig-
Holstein bis nach Holland.
Aus den annektierten Ländern wurden 3 neue Provinzen gemacht:
1) Schleswig-Holstein, 2) Hannover, 3) Hessen-Nassau. Das
Herzogtum Lauenburg, welches seit dem Vertrage zu Gastein, 1865, mit
Preußen in Personal-Union stand, wurde am 1. Juli 1876 für immer
mit ber preußischen Monarchie vereinigt und mit Rücksicht auf bie staatliche Ver¬
waltung vorläufig ber Provinz Schleswig-Holstein zugeteilt.*)
Preußen hat aber burch ben „beutfchen Krieg" nicht bloß eine Erweiterung
feines Staatsgebietes, sonbern auch bie Führerschaft in -Deutschland
erlangt. Es vereinigte ganz N o r b b e u t f ch I a tx b bis an ben Main burch
einen militärischen unb politischen Bunb zu einer thatkräftigen beutfchen Macht.
Die siibbeutschen Staaten, bie mit Norbbeutfchlanb bereits burch ben Zöllner-
e i n üerbunben waren, gingen ein Schutz- unb Trutzbünbnis mit Preußen
ein. Ein bebeutenber Schritt zur Einheit Deutfchlanbs war gethan.
Mit Stolz konnte König Wilbelm bei Eröffnung bes Nordbeutschen Reichstages
sagen: „Ich fühle mich als Erbe der preußischen Krone stark in bem Bewußtsein,
daß alle Erfolge Preußens zugleich Stufen zur Wiederherstellung unb Erhöhung
ber beutfchen Macht unb Ehre geworben sind."
Das Deutsche Reich, besten Herrlichkeit mit bem Falle ber Hohen¬
staufen verfchwunben war, sank nach bem Westfälischen Frieden, 1648, zu einem
Schattenbilb früheren Glanzes, zu einem Spott ber Völker hinab.
*) Es mag hier noch eine kurze Übersicht berGefchichte
bes Herzogtums Lauenburg Platz finden. — Der Herzog
Albrecht I. von Sachsen, ber nach bet Schlacht bei Bornhöveb, 1227, bie
Lauenburg unb bie Grafschaft Ratzeburg in Besitz nahm (S. >3'),
starb 1260. Nach seinem Tobe erhielt ber jüngere Sohn Albrecht II. die ober-
sächsischen Gebiete (Obersachsen, Sachsen-Wittenberg); der ältere Sohn
Johann, dem die niederfächsischen Gebiete zufielen, wurde
der Stifter des Herzogtums Sachfen-Lauenburg. Seine Nach¬
kommen haben bis 1689, also reichlich 400 Jahre über Lauenburg geherrscht.
Zum Herzogtum Lauenburg gehörten damals auch das Land Hadeln, das Amt
Neuhaus (beide Gebiete südöstlich von Kuxhasen) und einige kleinere Distrikte
am linken Ufer der Elbe; das Amt Bergedorf ging aber 1420 an bie Hansastädte
Hamburg und Lübek verloren, und die Stadt Mölln war von 1359—1683 an
Lübek, das Amt Steinhoj^t von 1575—1737 an Holstein verpfändet. Über bie
Einführung der Reformation f. S. 167. Während des 30jährigen Krieges hatte
Lauenburg viel zu leiden. Auf Herzog Franz Albrecht ruht der Verdacht,
den Schwedenkönig Gustav Adolf erschossen zu haben.
Nach dem Tode des Herzogs Julius Franz, 1689, kam Lauenburg
an den Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Eelle, 1705
an den Kurfürsten Georg I. von Honnover, der 1714 auch ben britischen Thron
bestieg; es würbe 1803 von ben Franzosen. 1805 von den Preußen, 1806 roieber
von ben Franzosen in Besitz genommen unb 1810 bem französischen Kaiserreiche
(Departement der Elbmündung) einverleibt. Im Wiener Kongreß, 1815, kam es
an Preußen und von Preußen tauschweise an Dänemark, 1864 an Preußen und
Österreich, 1865 an Preußen. Nur das Land Hadeln, das Amt Neuhaus und
die anderen Distrikte südlich der Elbe blieben nach dem Wiener Kongreß bei
Hannover.