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wirklichen Tragödie, aber interessante dichterische Werke sind alle, und alle
verraten den ausgezeichneten theatralischen Blick des Wieners, jene an¬
geborene Gabe, dramatische werte in bühnenmäßige Wirkungen umzusetzen,
die zwar einmal gefährlich werden kann, aber großen Dichtern doch nur in
kritischen Fällen.
von den nichtdramatischen Dichtungen Grillparzers ist die Novelle,,Der
arme Spielmann" die wichtigste: es steckt ein Stück Ñltwien und ein gutes
Stück — Franz Grillparzer darin. Die zweite (ältere) Novelle „Das Kloster
von Sendomir" erinnert fast an L. T. Ñ. hoffmann. Lin „richtiger" Lyriker
war Grillparzer nicht, aber selbstverständlich verstand er, ein Gedicht zu
machen, und hat nach echter Dichterweise ein gut Teil seiner Erlebnisse und
Stimmungen auch in lyrischen Tagebuchblättern niedergelegt. Berühmt ge¬
worden sind zwei seiner Gedichte: „Die Ruinen des Tampo vaccino", das
den Dichter in den Geruch antichristlicher Gesinnung brachte, und das Gedicht
an den Feldmarschall Radetzky 1848 mit den Versen:
„In deinem Lager ist Österreich.
Wir andern sind einzelne Trümmer."
Großes Lob widerfährt jetzt oft auch dem Epigrammatiker Grillparzer-
feine Epigramme sind doch aber durchweg mehr bissig als treffend und in
der Form selten wahrhaft schlagend, ñus dem Nachlaß sind dann eine
Selbstbiographie, Reise-Tagebücher und zahlreiches Ñphoristische von Grill¬
parzer erschienen, das alles großen Ñnspruch auf Beachtung hat, da es nicht
bloß seiner Persönlichkeit nahezukommen ermöglicht, sondern auch objektiven
wert beanspruchen kann. Überhaupt ist nach Goethe, Schiller und etwa
noch Friedrich kfebbel Grillparzer unzweifelhaft die dichterische Gesamt¬
persönlichkeit unserer Literatur, die eingehende Beschäftigung mit sich am
dringendsten verlangen kann. Freilich, man soll nicht zu früh an ihn
herangehen, er gehört zuletzt nicht zu den positiven Geistern. Seine besten
Dramen aber gehören auf jede Bühne, so lange die deutsche klassische
Dichtung noch nicht durch eine neue gleichwertige ersetzt ist — was immerhin
noch ein paar Jahrhunderte dauern kann.
29. An Acörikes Grab.
Friedrich Theodor Bischer, entnommen dem „Kunstwort".
München 1904, Tollwey.
Nicht so weithin wirst du schweben und strahlen wie jene größten
Meister der Dichtung, die, mit dem vollmaße der schauenden Kräfte begabt,
die Welt bezwangen, auch nicht so weit wirst du glänzen wie jene dürftigeren
Talente, die es der Menge recht machen, weil sie ihre gewöhnlichen Vor¬
stellungen von der Welt und Menschheit ihr belassen und nur mit färben-