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Angriff auf den byzantinischen Kaiser von Ungarn aus plante. Auch den
Seekönigen, welche die Nordsee unsicher machten und wohl an den Rhein-
mündungen erschienen, traten die Merowinger siegreich entgegen. Anderer¬
seits gelangten in nicht viel mehr als hundert Jahren die Langobarden aus
der Gegend von Lüneburg bis nach Italien und ihr Rönig Alboin in den
Besitz der italienischen Rrone, 568.
Diese wunderbaren Machtverschiebungen, diese raschen Reichsgründungen
liefern den historischen Bestandteil der germanischen Heldensage. Daß die
Bewegung ursprünglich gegen Rom ging, ist vergessen. Die Völkerwanderung
erscheint wie eine innere Angelegenheit der germanischen Rationen, von
Chronologie keine Spur. Ein englischer Sänger des achten Jahrhunderts,
der sich in die Heldenzeit zurückversetzt, will bei Alboin gewesen sein, Günther
hat ihm einen Ring geschenkt, und am Hofe Ermanarichs hat er den Gstrogotha
gesehen. Die Zage hält zunächst Ddovakars und Theuderichs Gegnerschaft
fest, aber sie verwechselt Theuderich mit seinem Vater Theodemer, versetzt
ihn daher an Attilas Hof und nimmt an, daß er sich dort im Exil befunden
habe, ja daß er vor Ddovakars haß dahin entflohen sei. Attila wird der
Repräsentant alles hunnischen Wesens. Er gilt als Ermanarichs Gegner,
er gilt als Günthers Gegner, er hat die Burgunder vernichtet. Diese aber
verschmelzen mit einem mythischen Rachtgeschlechte, den Nibelungen, Sieg¬
frieds Gegnern, und so entsteht der große Romplex der Ribelungensage.
Mischen sich darin historische und mythische Elemente, so bleibt der Rern
der Theoderichsage rein historisch, während etwa die Sagen von Hilde oder
Wieland dem Schmied Beispiele reiner Mythen gewähren.
In der ältesten Gestalt der Ribelungensage, wie sie in den Norden
drang und dort bewahrt wurde, trägt Attila die Schuld am Tode der
Burgunder. Aber schon im siebenten Jahrhundert erzählten deutsche Lieder
die Sache wesentlich anders. Richt Attila, sondern seine Gattin Rriemhild,
Siegfrieds Witwe, die Schwester der burgundischen Röntge, hat den Mord
angestiftet. Zugleich wird die sympathische Gestalt des Markgrafen Rüdiger
in die Sage aufgenommen, und es ist wahrscheinlich, daß die ganze Um¬
wandlung in Österreich geschah. Sie hängt aber, wie es scheint, mit einer
Bereicherung des Heldengesanges überhaupt zusammen, welche diesen auf
seinen Höhepunkt führte und die erste Blüte unserer Poesie bewirkte.
Die ältesten mythischen Sagen, ihrem Ursprünge nach über die Völker¬
wanderung hinaufreichend, liefern den Typus des offenen, kühnen, in Jugend-
kraft dahingerafften Helden Siegfried und seines grundbösen, tückischen, ver¬
räterischen Gegners Hagen.
Die ältesten historischen Sagen, bis etwa zur Mitte des fünften Jahr¬
hunderts, führen lauter abstoßende Typen ein, die ohne Zweifel aus dem
Leben dieser rauhen Zeit gegriffen sind. Ermanarich und Attila re¬
präsentieren die Tharakterform des habsüchtigen, grausamen, weit Herr¬