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Jahre und gönnt sich dazwischen auch mehrmals einen tüchtigen 
Winterschlaf zur Erholung. Wie zürnt der Landmann dem gefräßigen, 
dreisten Burschen, der ihm so viel Schaden an seinen Pflanzen anrichtet! 
Es ist noch ein Glück, daß die Maulwürfe, Mäuse und Raben so viele 
Engerlinge herausgraben und verzehren. Wenn der Landmann pflügt, 
so kommen mit der emporgehobenen Erde oft ihrer gar viele an das 
Tageslicht, und manchmal läßt er diese bösen Gesellen einsammeln und 
töten, damit sie nicht wieder in den Erdboden zurückkehren. Häufig 
sieht man auch die Saatkrähen dem Pfluge folgen und sich ihr gutes 
Teil von der leckeren Speise nehmen. 
3. 
So gehen drei Jahre hin. Dem Engerlinge ist während dieser Zeir 
mehrmals unter seinem alten Kleide ein neues gewachsen, ganz nach 
dem Muster des jetzigen. Da platzt denn ganz von selbst das alte 
Wams, und der Engerling schlüpft in seinem neuen Röcklein heraus. 
Gegen Ende des letzten Sommers aber, den er in der Erde zubringen 
muß, bohrt er sich tiefer in diese hinein und hört nun auf zu fressen. 
Er kleistert um sich herum einen kleinen Ball von Erde zusammen, darin 
schläft und schläft er bis zum Herbste, dann kommt er wieder aus 
seinem Bette hervor. O, wenn der einen Spiegel hätte, der würde sich 
die Augen reiben und gucken und gaffen und würde denken: „Bin 
ich's, oder bin ich's nicht?" — Denn ein kriechender Wurm ist er 
nicht mehr; er hat sechs Füße und kann marschieren; auch trägt er 
keinen weißen Rock mehr, sondern hat einen schwarzen Panzer um 
den ganzen Leib, der ist aus vielen Ringen zusammengeschmiedet, und 
als Zierat sitzen einige weiße Flecken daran, die erinnern noch an das 
alte Kleid. Denkt nun noch an den harten Kopf, die Brust, und wie 
jedes abgesondert steht und nur durch einen dünnen Stiel verbunden 
ist; denkt endlich an die braunen Flügeldecken, da merkt ihr wohl: 
der Käfer ist fertig, und der Engerling kann sich selbst nicht wieder¬ 
finden. Aber der Käfer ist gescheit und bleibt tief unter der Erde, denn 
wenn er herauskäme, möchte er oben keine warme Stube haben und 
erfrieren. Darum bleibt er unten, und wenn der Schnee über seinem 
Kopfe knirscht, dann freut er sich, daß er so warm sitzt. — Wenn aber 
im Frühling die Sonne anklopft und spricht: „Erde, tu dich auf!" 
und: „Legt euer grünes Festkleid an, ihr Bäume!" dann denkt er: 
„Nun ist's Zeit," und er bohrt sich ein rundes Loch, immer höher 
herauf, bis er oben ist, wartet dann fein, wenn's noch Tag ist, denn 
es ist ihm zu hell, und seine Augen sind das Licht noch nicht 
gewohnt; aber am Abend schlüpft er hervor und probiert geschwind, 
ob man in den schattigen Bäumen nicht noch besser sitzen kaun als 
in der dunkeln Erde.Ernst V-i-tm-y-r. 
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