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Die Kornblumen.
mein Jahr ab. Mein Hauptmann ist sehr streng. Ich muß nach
der Kaserne zum Dienst und habe nur noch dreiviertel stunden Zeit.
Den Weg lege ich nun auch beim schnellsten Gange nicht mehr
zurück und komme zu spät, selbst wenn Lw. Majestät die Gnade
hätten, mich unverzüglich zu entlassen." Der Kaiser, welcher sich
im stillen über die Pünktlichkeit seines Gärtners freute, sagte, er
solle schnell seine Uniform anziehen. Mährend der Gärtner sich
ankleidete, ließ der Kaiser seinen Magen vorfahren. Nun mußte
sich der junge Krieger zu seinem obersten Kriegsherrn in den Magen
fetzen, und im Galopp ging es zur Ztadt. Als der Magen auf dem
Kasernenhofe ankam, war die Kompanie bereits angetreten. Der
Kaiser ging selbst zu dem Hauptmann und bat ihn, er möge dieses
Mal seinen Gärtner nicht bestrafen für das Zuspätkommen, da er,
der Kaiser, selbst die Ichuld daran trage. Es darf angenommen
werden, daß so hohe und so freundliche Fürsprache eine günstige Wir¬
kung nicht verfehlt hat.
273. Die Kornblumen.
K. Trog.
1. Als die Königin Luise im Jahre 1807 sich von Königs¬
berg nach Memel begeben mußte, brach an ihrem Wagen,
in welchem sie sich mit ihren beiden ältesten Söhnen,
den Prinzen Fritz und Wilhelm, befand, ein Rad. Die
Königin mußte mit ihren Kindern den Wagen verlassen,
und da dieser Unglücksfall auf offener Landstraße, fern von
jedem bewohnten Orte, geschah, ließen die Flüchtlinge sich
am Rande eines Grabens nieder, während der Schaden an
dem Wagen ausgebessert wurde.
2. Die kleinen Prinzen waren sehr müde und hungrig. Sie
klagten der Mutter ihr Leid; die hohe Mutter wußte nicht,
wie sie helfen sollte. Insbesondere war es der kleine, zarte
und schwächliche Prinz Wilhelm, der sich immer wieder an
seine über alles geliebte Mutter anschmiegte. Endlich stand
die Königin auf und fing an, in den Kornfeldern Kornblumen
zu pflächen, durch ihr Beispiel die Prinzen ermunternd, gleich¬