Full text: [Teil 2 = Kl. 7] (Teil 2 = Kl. 7)

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meine Schätze gestohlen hatte, verwünscht, als ein wilder Bär in dem 
Walde zu laufen, bis ich durch seinen Tod erlöst würde. Jetzt hat er 
seine wohlverdiente Strafe empfangen." 
Schneeweißchen ward mit ihm vermählt und Rosenrot mit seinem 
Bruder, und sie teilten die großen Schätze miteinander, die der Zwerg in 
seine Höhle zusammengetragen hatte. Die alte Mutter lebte noch lange 
Jahre ruhig und glücklich bei ihren Kindern. Die zwei Rosenbäumchen 
aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem Fenster und trugen jedes 
Jahr die schönsten Rosen, weiß und rot. 
160. Dortiröscfoctl» Von den Brüdern Grimm. 
Kinder-und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Aufl., besorgt von Reinhold Steig. 
Stuttgart u. Berlin 1906. 8. 165. 
1. 
^Uorzeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: 
„Ach, wenn wir doch ein Kind hätten'" und kriegten immer keins. 
Endlich bekamen sie ein Mädchen, das war so schön, daß der König 
vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er 
lud nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern 
auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen 
wären. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche. Weil er aber nur 
zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, so mußte eine 
von ihnen daheim bleiben. Das Fest ward mit aller Pracht gefeiert, 
und als es zu Ende ging, beschenkten die weisen Frauen das Kind mit 
ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die 
dritte mit Reichtum und so mit allem, was auf der Welt zu wünschen 
ist. Als elf ihre Sprüche eben getan hatten, trat plötzlich die dreizehnte 
herein. Sie wollte sich dafür rächen, daß sie nicht eingeladen war, und 
ohne jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme: 
„Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer Spindel 
stechen und tot hinfallen." Und ohne ein Wort weiter zu sprechen, 
kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken; da trat 
die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte, und weil sie den 
bösen Spruch nicht aufheben, sondern ihn nur mildern konnte, so sagte 
sie: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, 
in welchen die Königstochter fällt." 
2. 
Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren 
wollte, ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König-
	        
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