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der dritte aber rührte das Untier mit seinem Stabe an, da erstarrte es 
und streckte alle Viere von sich. Die Augen glühten nicht mehr, es kam 
kein giftiger Dampf mehr aus der Nase, kurz, das Tier lag wie tot. 
Kaum aber, daß es hingesunken war, ging eine dritte Eisentür 
ganz von selber auf, und die Welschen standen wie versteinert an ihrer 
Schwelle. So etwas von Pracht und Glanz hatten sie trotz ihrer Geld¬ 
gier nicht einmal ahnen können. Eine weite, hohe Halle, viel größer 
als die größte Kirche, mit Wänden aus purem Golde und Verzierungen 
aus den herrlichsten Edelsteinen zusammengesetzt. Und alle diese Steine 
leuchteten wie Sonnen, so daß man kein anderes Licht brauchte. An 
den Wänden aber hingen kostbare Decken aus Seide und Samt und 
Teppiche aus Smyrna und Brussa. 'Der Tür gegenüber war ein präch¬ 
tiger Thronsessel mit einer hohen Rückenlehne aus rotem Samt. Darin 
saß ein ur-uralter Mann von riesenhafter Gestalt mit schneeweißem, 
langem Barte und schlief. Auf seinem Haupte funkelte eine goldene 
Krone, und in der Hand hielt er ein Zepter, das nur so von Diamanten 
blitzte. Ringsum aber lag auf Teppichen und Polstern der Hofstaat, 
kleine, feine Fräulein, in kostbare Stoffe gekleidet, und bärtige Gnomen 
mit alten Gesichtern und hohen Mützen, an denen Edelsteine wie 
Sterne schimmerten. Alles Gerät, was sie wahrnehmen konnten, war 
aus eitel Gold; und selbst der Staub im Kehrichtwinkel war Gold, 
und irgendwo ausgebrochene Edelsteine schimmerten darin. Das alles 
aber übersahen die welschen Männer in einem Augenblicke, aber des 
Schauens wegen waren sie nicht hierhergekommen. Sie rafften viel¬ 
mehr zusammen, was sie erhaschen konnten, stopften alle Taschen voll 
goldenen Kehricht und verließen die Höhle eiligst; denn sie fürchteten, 
der Berggeist könne erwachen und sie in irgend etwas verwandeln. 
Das erste Eisentor krachte hinter ihnen zu, daß es nur so schütterte, 
ebenso das zweite, und sogleich fing der große Hund an wieder so 
fürchterlich zu heulen, daß den Männern vor Schreck die Beine ein¬ 
knickten. Schnell sahen sie, daß sie auch die dritte Tür hinter sich 
brachten. Im Gange her aber kam's schon wie Sturmwind und hat 
auch die zugeschlagen, daß der Berg erzitterte und dem letzten das 
Ende des Mantels eingeklemmt wurde. „Helft, helft, ihr Brüder!" 
rief er in Todesangst, „der Berggeist hat mich am Zipfel!" Er ließ den 
Mantel fallen, und es war die höchste Zeit; denn schon fuhr der Felsen 
wieder zusammen und erfaßte seine schwarzen Locken. Wieder riß er 
sich los, daß ihm der Kopf blutete und ein ganzer Busch Haare in den 
Steinen hängen blieb. „Hinaus! hinaus!" war die Losung. 
Vor dem Stollen brachen alle drei ohnmächtig zusammen. Wie 
lange sie gelegen, wußte keiner zu sagen; aber als sie erwachten, fühlten 
sie sich um Jahre gealtert, ganz gebrochen und zerschlagen. Auch ihre
	        
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