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[am. Der alte Herr hatte sich in meiner Nähe auf einen Stuhl niedergelassen
und eine Prise aus seiner goldnen Dose genommen, als er meinen Vater
fragte: „Was macht der Bube da?" Der Vater winkte mir: „Zeig's
mal dem Herrn Professor!" Ich wurde rot und brachte es ihm. Er
betrachtete die Zeichnung lange, indem er mit dem Rücken der Hand,
in welcher er die Prise hielt, die Linien der Esel, Schafe und Menschen
umschrieb und beifällige Töne dabei vernehmen lieh. — ,,Ah, bei Gott!
aus dem Buben kann was werden," sagte daraus der alte Herr ganz
ernsthaft, und ich wurde nun noch röter als zuvor, nahm mein Blatt
und packte es ein, ganz in der Stille mit einem gehobnen, seelenfrohen
Herzen.
6. Es gibt geflügelte Worte, die wie ein Blitz treffen und zünden oder
auch wie ein Samenkorn in die empfängliche Frühlingserde fallen und
darin lebendig fortwirken, und von letzterer Art war mir der Ausspruch
meines Herrn Paten; das Wort feuerte mich mächtig an, und ich arbeitete
unablässig weiter. Ludwig Richter.
118. Drei stunden aus dem Leben eines Künstlers.
1. Aus dem Residenzstädtchen Arolsen geht behaglichen Schrittes an
einem heitern Sommerabend ein fürstlicher Kammerdiener, gefolgt von
seinem Knaben. Der Dienst bei dem gütigen Fürsten Friedrich ist für heute
beendet; da ladet das saftige Wiesengrün und das Laub, an dem noch
die funkelnden Tropfen des Gewitterregens in spätem Sonnengolde blinken,
zu einem erfrischenden Spaziergange durch die würzige Luft ein. Der Knabe
hüpft hinter dem Vater her, sorgfältig mit seinen kürzeren Beinchen immer
in die Fuhtapfen springend, die der väterliche Schritt in dem aufgeweichten
Wege hinterlätzt, so datz es aus den grauen Regenpfützen hoch aufspritzt
und des Vaters lange, weihe Strümpfe bis hinauf zu den samtnen Knie¬
hosen beschmutzt. Der Mann, dem peinliche Sorgfalt und Sauberkeit auf¬
geprägt ist, wendet sich unwillig um: „Junge, was hast du wieder für
Tollheiten vor?" Aber entwaffnet sinkt sein Zorn, da ihm der Kleine
mit unbefangenen, großen Augen zutraulich anblickt: „Vater, der Lehrer
hat gesagt, Kinder sollen immer in den Fuhtapfen ihrer Eltern gehen."
Und der ehrliche Blick des hübschen Knaben sagt deutlich genug, dah
er keinen Streich im Sinne gehabt; er hat wirklich nur in treuherzigem
Gehorsam der allzuwörtlich verstandenen Weisung des Lehrers folgen wollen.
2. Im Vorzimmer der liebenswertesten Königin Preußens, Luise,
sitzen mehrere Kammerdiener und Lakaien. Sie schlagen die Zeit mit
Kartenspiel, mit fader Unterhaltung tot; denn selten nur begehrt die ein¬
fache fürstliche Frau persönliche Dienstleistungen.
Ein schöner, junger Mann mit kühner Stirn und natürlich fallender
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