Full text: Geschichte der neueren Zeit (Theil 3)

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nicht zu enden, so lange ein feindlicher Streiter auf Ru߬ 
lands Boden stehe. Napoleon hatte eine Abtheilung seines 
Heeres unter Oudinot und Macdonald aus die Straße nach 
Petersburg gegen den russischen Fürsten Wittgenstein geschickt; 
mit der Hauptmacht ging er selbst gerade auf Moskau, die 
alte Czarenftadt, los. Die russischen Anführer Barclay de 
Tolly und Bagration zogen sich kämpfend vor ihm zurück. 
Nach zweitägigem mörderischem Kampfe bei Smolensk, am 
17. und 18. August, erstürmten die Franzosen diese Stadt, 
nachdem sie größtenteils eine Brandstätte geworden war. 
Jetzt übernahm der alte Kutusow, der eben siegreich aus 
dem Türkenkriege zurückgekehrt war, den Oberbefehl über das 
russische Heer. Auch er zog sich zurück und brannte hinter 
sich alle Städte und Dörfer nieder, um dem Feinde nur eine 
Wüste zurückzulassen. An der Moskau, fünfzehn Meilen 
von der alten Hauptstadt, machte er endlich Halt. Die Ehre 
des Reiches schien eine Schlacht zu fordern zu ihrer Rettung. 
Da rief Napoleon frohlockend: „Soldaten, hier ist die Schlacht, 
die Ihr ersehnt habet. Sie ist nothwendig, denn sie bringt 
uns Ueberfluß, gute Winterquartiere und sichere Rückkehr nach 
Frankreich. Benehmt Euch so, daß die Nachwelt von Jedem 
unter Euch sagen kann: „Auch er war in der großen Schlacht 
unter den Mauern Moskaus!" Zugleich ließ er das Bild- 
niß seines Sohnes an der Außenseite seines Zeltes aufhängen, 
und Offiziere und Soldaten eilten begeistert herbei, die Ge¬ 
stalt ihres künftigen Herrschers zu betrachten. 
Ein anderes Schauspiel bot sich im russischen Lager dar. 
Die griechische Geistlichkeit erschien in ihren priesterlichen Ge¬ 
wändern und zog in feierlicher Prozession durch das Lager. 
Die Bilder der gefeiertsten Heiligen wurden dem verehrenden 
Blicke der Truppen vorübergetragen. „Erde und Himmel," 
sprachen die Priester, „sind durch die Fremdlinge verletzt und 
zur Rache aufgefordert, und der Tapfere in der Schlacht wird 
sich unfehlbar die Seligkeit erringen." Die Russen antwor¬ 
teten mit einem begeisterten Hurra!
	        
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