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wachet auf, meine Brüder, und schlafet nicht mehr! Die wilden Hun¬
nen sind im Land,- ihre Pferde trinken unsere Brunnen aus, und wo
ihr Huf hintritt, wächst kein Gras mehr!" So ritt er die ganze Nacht
nach einer Richtung,- der Schweiß mischte sich mit seinem Blut ; es
kam kein Schlaf über ihn; alle Kräfte nahm er zusammen bis zum
letzten Blutstropfen. Nls der Morgen graute, hielt er vor dem Hofe
des Ostgotenkönigs. Lin gotischer Krieger stand breitbeinig auf der
Treppe vor der Tür und hielt den Speer quer über den Bauch, „hier
wird niemand eingelassen," sagte der Wächter,- „der König ist krank
auf den Tod." verwundert schaute der Krieger auf das dampfende
Pferd und den todmatten Reiter,- das lange Blondhaar war vom Blut
zusammengeklebt, das Gesicht mit Blut überronnen und der Schafpelz
rot von Blut.
Da trat ein Greis aus dem Königshofe, und ein paar Tränen
liefen ihm über die Backen, als er sprach: „Der König ist soeben ge¬
storben." Run nahm der Reiter seine ganze Kraft zusammen, richtete
sich im Sattel auf und rief: „Feindio! Zu den Waffen! wehe Luch,
Ihr Gstgoten, der König ist tot, und die wilden Hunnen sind im Land!"
Dann sank er vom Pferde. Das Hunnenpferd wendete den Kopf nach
ihm, aber der Hirte regte sich nicht mehr; er war tot.
177. Hunnenzug.
Von Börries von Münchhausen.
T^insterer Himmel, pfeifender Wind,
1 Wildöde Heide, der Regen rinnt,
Von fern ein Schein wie ein brennendes Dorf,
Mattdüsterer Glanz auf den Lachen im Torf.
2. Da plötzlich ein stampfendes, dumpfes Geröll,
Wie drohenden Wetters steigender Groll,
Und lauter und lauter erdröhnt die Erde
Vom stürmischen Nahn einer wilden Herde.
3. Ein Hunnenschwarm mit laut jauchzendem Ruf!
Dumpf donnert und poltert der Rosse Huf,
Es erbebt die Heide, der Schlamm spritzt auf
An den dolchbehangenen Sattelknauf.
4. Ein köcherumrauschter, gewaltiger Schwarm,
Hell klirren die Spangen an Sattel und Arm,
Das Haupt geneigt auf die struppige Mähne,
Die braune Faust an gespannter Sehne.