Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

Der Knabe fuhr empor und blickte um sich. Und als er in dieser 
düstern Hütte sich und seine Mutter sah, da zuckten seine roten Lippen. 
Sogleich wurde auf dem Schollberge ein großes Feuer angezündet; 
hoch empor und weithin durchdrang der Schein die Nebel und das Schnee¬ 
gestöber. Gallheim, der reiche Mann, hatte wohl in seinem Leben einen 
so glückseligen Christbaum nicht gesehen, als diese Feuersüule war, die 
ihm verkündete, daß sein Kind lebe. 
6. 
So kamen sie nun alle hier zusammen, und noch nie hatte das kleine 
Haus im Walde so viele und so fröhliche Gäste gesehen als in dieser 
Nacht. Dem reichen Manne barst schier das Herz. Da sah er seinen 
Sohn so liebevoll gehalten von der Familie dessen, den er heute — 
Er dachte es nicht aus. Den schnellsten Reiter sandte er nach dem 
Herrenhause, um die eiserne Tür zu öffnen. 
Sie waren noch beisammen, als der Lenz in einem vornehmen 
Schlitten, bespannt mit zwei Rappen, angefahren kam. Zur Stunde 
ging schon der Morgen aus. 
„Lenz, ich habe dir unrecht getan!" sagte Gallheim in tiefem Ernste 
zum Pecher. „Hier sehe ich dein Weib, dein Kind, denen du das Christ¬ 
bäumchen hast ausstellen wollen. Verzeih mir! Verzeiht mir alle drei! 
Ich will es gutzumachen trachten." 
Er sprach dem Pecher die Meierstelle im großen Felberhofe zu. 
Der Lenz war wortkarg. Er schüttelte den struppigen Kopf: der Felber- 
hof wäre ihm zu groß. „Zu groß!" lachten die Leute, „das sollte ein 
Mann, wie Ihr seid, niemals sagen. Manch andrer wäre froh, könnte 
er seine Familie ohne Sorgen ernähren und vorwärtsbringen." 
„Mag nicht fort von da," sagte der Lenz tonlos, „wollt mir lieber 
das Pechhacken wieder erlauben." 
„Das Pechhacken, Lenz, das tut Euch schlecht und den Bäumen 
nicht gut," versetzte Gallheim. „Aber die Försterstelle wird frei, und zu 
Christbäumen für Eure Nachkommenschaft sind von heute an dreißig 
Joch Waldgrund Euer eigen. Dann, Lorenz Hackbretter, wollen wir 
wieder gut sein." 
„Ich bin nicht bös'," sagte der Lenz, „ich wollt' den Herrn nur 
gebeten haben, daß er's hier vor meinem Weib und vor meinem 
Kind laut tät sagen, daß ich nicht schuldigerweis' eingesperrt worden bin." 
Gallheim faßte mit beiden Händen des anderen Rechte und ries: 
„Lenz, Ihr seid ein braver Mann!" 
Und so ist Gott durch den Wald gegangen, und so ist das Christ¬ 
kind doch noch in die Hütte der Pechersleute gekommen.
	        
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