Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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ihrem Baue ein. Die Jahreszeit war’s, in der sie heranwachsende 
Junge haben mußten. 
Das bestätigte sich durch Zufall am nächsten Abend meinem 
Blick. Auf meinem Gange kam ich an einem ginsterbewachsenen 
Abhang vorbei und gewahrte unter mir in einiger Entfernung vor 
einem Erdloch, wahrscheinlich einem alten Hamsterstollen, drollig 
durcheinander tummelnde Bewegungen. Das Hermelinweibchen 
spielte dort mit fünf oder sechs Jungen, allerliebsten Geschöpfchen. 
Es legte sich auf den Rücken und ließ den Schwarm über sich 
klettern, herunterkugeln und wieder hinaufkrabbeln. Ab und zu 
sprang die Mutter plötzlich auf, faßte vorsichtig eins aus dem Ge¬ 
wimmel mit den scharfen Zähnen am Nacken und trug’s eine 
Strecke weit fort. Dann eilte sie in großen Sprüngen zu den andern 
zurück, und es machte den Eindruck, als ob sich alle daran be¬ 
lustigten und in ihrer Art darüber lachten, wie das kleine aus¬ 
gesetzte Ding noch unbeholfen sich Mühe gab, ängstlich und mög¬ 
lichst hurtig wieder heranzuwasseln. 
Da änderte sich die Szene. Von der Seite her erschien plötz¬ 
lich das Männchen durch das Ginstergewirr mit einem jungen Hühn¬ 
chen im Maul, das es nun mitten zwischen seinen Nachkömm¬ 
lingen auftischte. Im Nu ließen sie vom Spiel ab, drängten sich 
um den Abendimbiß und zeigten, daß sie sich schon gut darauf 
verstanden, mit den spitzen Zähnchen ihren Anteil von der Mahl¬ 
zeit an sich zu nehmen und eilig zu verspeisen. Die beiden Alten 
hockten zuschauend daneben; es konnte kein Zweifel sein, sie er¬ 
freuten sich an der Freßlust der Jungen. 
An einem der folgenden Tage hörte ich, in der Nähe eines 
Landgehöfts vorüberkommend, einen Knall und sah gleich danach 
den mir bekannten Bauern eine Flinte in der Rechten, in der 
Linken etwas Weißschimmerndes halten. Er rief mir entgegen: 
„Diesmal habe ich den Halunken! Schon seit zwei Wochen laur’ 
ich ihm auf.“ Zu ihm hintretend, erkannte ich das tote, durch den 
Kopf getroffene Hermelinmännchen, und unwillkürlich kam es mir 
vom Mund: „Der arme Kerl!“ Doch der Bauer fiel ein: „Da ist 
nichts zu bedauern, dem geschieht’s recht. Ein blutdürstigeres 
Räuber- und Mördergesindel gibt’s nicht, ln einer Nacht hat er 
mir fast ein Dutzend Tauben im Schlag umgebracht, dabei nur 
eine weggeschleppt, aber den andern die Hälse durchgebissen und 
ihr Blut getrunken. So, mein Freund, nun ist’s mit deinem 
Durst alle!“ 
Darauf konnte ich vernünftigerweise nicht viel erwidern, sagte 
nichts als, dem Erschossenen einmal mit der Hand über die weiße 
Brust streichend: „Es ist nur, wenn man jemand persönlich gekannt
	        
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