17 
ganz ausdrückliche Verbot meines Vaters da vorhanden sei, welches mir so 
viel gelten mußte, als ein Befehl des Königs seinen Unterthanen. Meinem 
Geiste trat eine furchtbare Phantasie nahe; ich dachte, der Vater könne da 
statt des Königs oder der Königin in der Salonthür sich zeigen, sein Auge 
den Ungehorsamen entdecken. Zurückzuweichen war völlig unmöglich, die 
Menge hinter mir bildete eine undurchdringbare Mauer. Ich mußte also 
stehen bleiben, den Fügungen des Geschicks verfallen, und mich noch vor 
den beiden roten Kammerhusaren in acht nehmen, welche die Brücke nach 
dem Salon gegen den Andrang zu schützen hatten. Diese machten nicht 
viel Umstände mit dem Volke, und es ging hier wie allerorten bei solchen 
Gelegenheiten. Nicht die Drängenden erlitten unsanfte Behandlung, sondern 
die Gedrängten, die vor uns standen. 
Aber bald löste ein reizendes Schauspiel alle Angst ans und jedes 
herbe Wesen. Die Königin trat in die Salonthür. Ich erinnere mich 
ihres Anzuges noch ganz deutlich: sie trug einen stahlgrünen, seidenen 
Uberrock und war sonst ohne Schmnck einfach gekleidet. Das Volk begrüßte 
sie jubelnd, Mützen und Hüte schwenkend. Sie verneigte sich mit holdseliger 
Freundlichkeit nach allen Seiten, und nun wurde ich Zeuge eines Auftrittes, 
der wohl verdient, erzählt zu werden. Ans silberner Platte wurde ihr eine 
Tasse dargeboten; sie nahm sie und frühstückte. Ein Herr mit mehreren 
Sternen auf der Brust näherte sich ihr ans der Tiefe des Saales und 
schien des Augenblickes zu warten, wo er ihr nach beendetem Frühstück die 
Tasse abnehmen dürfte. Plötzlich aber sah die Königin empor, dann mit 
unglaublicher Freundlichkeit nach dem Volke. Ihr Blick fiel ans ein Kind, 
mit welchem die Wärterin sich auch unter den Vordersten befand. Die 
Schönheit des Kindes mochte ihr gefallen und das lange, goldgelbe Locken¬ 
haar des Kleinen. Sie winkte erst mit dem Finger; da aber niemand die 
liebenswürdige Natürlichkeit dieser Gebärden begriff, so sagte sie jemand, 
der hinter ihr stand, etwas, worauf der Dienstthuende über die Brücke ge¬ 
gangen kam und der Wärterin befahl, ihm nüt dem Kinde zur Königin zu 
folgen. Die arme Person wurde blutrot, gehorchte zitternden Schrittes und 
sah sich dabei bisweilen nach der Menge um, als wollte sie sagen: „Ich 
maße mir diese Ehre nicht an." Inzwischen wollte der Herr mit den 
Sternen der Königin die Taffe abnehmen; sie lehnte es aber ab, neigte sich 
dem Kinde, welches unbefangen umher lächelte, entgegen, faßte seine Händchen, 
streichelte ihm die Wangen und gab ihm dann aus ihrer Tasse in dem 
Theelöffel zu kosten. Sie fragte die Wärterin nach dem Alter des Kindes, 
nach seinen Eltern und was dergleichen mehr war. Alles dies geschah in 
der Entfernung weniger Schritte von dem Platze, wo ich stand, so daß ich 
Gabriel n. Snpprian, Lesebuch. D. 8. 2
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.