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Aber was jetzt zurückkehrte, das kam kläglicher, als einer im Volke 
geträumt hätte. Es war eine Herde armer Sünder, die ihren letzten Gang 
angetreten hatten, es waren wandelnde Leichen. Ungeordnete Haufen, ans 
allen Truppengattungen und Nationen zusammengesetzt, ohne Kommandornf 
und Trommel, lautlos wie ein Totenzug nahten sie der Stadt. Alle waren 
unbewaffnet, keiner beritten, keiner in vollständiger Montur, die Bekleidung 
zerlumpt und unsauber, aus den Kleidungsstücken der Bauern und ihrer 
Frauen ergänzt. Was jeder gefunden, hatte er an Kopf und Schultern 
gehängt, um eine Hülle gegen die markzerstörende Kälte zu haben: alte 
Säcke, zerrissene Pferdedecken, Teppiche, Shawls, frisch abgezogene Häute von 
Katzen und Hunden. Man sah Grenadiere in großen Schafpelzen, Kürassiere, 
die Weiberröcke von buntem Fries wie spanische Mäntel trugen. Nur wenige 
hatten Helm und Tschako, jede Art Kopftracht, bunte und weiße Nacht¬ 
mützen, wie sie der Bauer trug, tief in das Gesicht gezogen, ein Tuch oder 
ein Stück Pelz zum Schutz der Ohren darüber geknüpft, Tücher auch über 
den unteren Teil des Gesichts. Und doch waren der Mehrzahl Ohren und 
Nasen erfroren und feuerrot, erloschen lagen die dunkeln Angen in ihren 
Höhlen. Selten trug einer Schuh oder Stiesel, glücklich war, wer in Filz- 
socken oder in weiten Pelzschuhen den elenden Marsch machen konnte; vielen 
waren die Füße mit Stroh umwickelt, mit Decken, Lappen, dem Fell der 
Tornister oder dem Filz von alten Hüten. Alle wankten ans Stöcke gestützt 
lahm und hinkend. Auch die Garden unterschieden sich von den übrigen 
wenig, ihre Mäntel waren verbrannt, nur die Bärenmützen gaben ihnen noch 
ein militärisches Ansehen. So schlichen sie daher. Ofsiziere und Soldaten 
durcheinander mit gesenktem Haupt in dumpfer Betäubung. Alle waren 
durch Hunger und Frost und unsägliches Elend zu Schreckensgestalten ge¬ 
worden. 
Tag für Tag kamen sie jetzt auf der Landstraße heran, in der Regel 
sobald die Abenddämmerung und der eisige Winternebel über den Häusern 
lag. Dämonisch war das lautlose Erscheinen der schrecklichen Gestalten, 
entsetzlich die Leiden, welche sie mit sich brachten; die Kälte in ihren Leibern 
sei nicht fort zu bringen, ihr Hunger sei nicht zu stillen, behauptete das 
Volk. Wurden sie in ein warmes Zimmer geführt, so drängten sie mit 
Gewalt an den heißen Ofen, als wollten sie hinein kriechen, vergebens 
mühten sich mitleidige Hausfrauen, sie von der verderblichen Glut zurück¬ 
zuhalten. Gierig verschlangen sie das trockene Brot, einzelne vermochten 
nicht aufzuhören, bis sie starben. Bis nach der Schlacht von Leipzig lebte 
in: Volke der Glaube, daß sie vom Himmel mit ewigem Hunger gestraft 
seien. Noch dort geschah es, daß Gefangene in der Nähe ihres Lazaretts
	        
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