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Gelegenheit wahr und schlug ihn unversehens mit einem Faustschlage zu
Boden. Da lag der edle Siegfried betäubt unter seinem Schilde; rothes
Blut quoll ihm aus Mund und Nase, und er schien todt zu sein. Ehe sein
Feind ihn aber vollends mordete, sprang schnell der Zwerg Engel, der
immer in der Nähe geblieben war, herbei und deckte über Siegfried eine
Tarnkappe, die die wunderbare Eigenschaft hatte, jeden, den sie umhüllte,
unsichtbar zu machen. Kuperan tobte vor Wuth, dasz sein Gegner ver¬
schwunden war, aber wie er auch von Baum zu Baum suchte, er vermochte
ihn nicht wiederzufinden.
Inzwischen suchte der gute Zwerg den bewusztlosen Helden wieder zu
beleben. Als er die Augen endlich wieder aufschlug und seinen Better
neben sich sah, sprach er: „Lohne dir Gott, du kleiner Mann, was du an
mir gethan hast.“ — „Ja,“ erwiderte der Zwerg, „da hätte es dir schlimm
ergehen können. Aber nun folge auch meinem Bäthe und gieb es auf,* die
Jungfrau zu befreien.“— Da sagte Siegfried: „Nimmermehr! Und wenn
ich tausend Leben hätte, so wollte ich sie alle um die Jungfrau wagen.“
Sobald er sich also einigermaszen erholt hatte, warf er die Tarnkappe
fort und stürmte von neuem auf den Biesen ein. Wieder schlug er ihm
acht tiefe Wunden, bis er um Gnade flehte. Wohl hätte der Treulose sie
nicht verdient, aber Siegfried bedachte, dasz er ohne ihn nicht an den
Drachenstein gelangen könnte, und so schenkte er ihm abermals das Leben,
jetzt aber war er vorsichtiger und liesz ihn vorangehen.
So gelangten sie endlich an den Drachenstein. Ein unterirdischer
Gang führte zu der Thür desselben; der Biese schlosz sie auf, und Sieg¬
fried steckte den Schlüssel zu sich. Bald waren sie oben auf dem Felsen.
Der Drache war zum Glück ausgeflogen, die Jungfrau aber erkannte den
Helden und fing vor Freuden an zu weinen und sprach: „Willkommen, du
edler Siegfried! Wie geht es meinem Vater und meiner Mutter zu Worms,
und wie leben meine Brüder?“ Siegfried erzählte ihr alles und dasz er
gekommen wäre, sie zu befreien. Indessen trat der Biese heran und sagte:
„Hier in der Erde liegt ein Schwert, mit welchem allein es möglich ist,
den Drachen zu bezwingen.“ Das war freilich Wahrheit, aber die Ab¬
sicht, die der Biese bei diesen Worten hatte, war eine schlimme. Denn
als Siegfried sich bückte, um das Schwert in der Erde zu suchen, sprang
jener herzu und versetzte ihm einen fürchterlichen Schlag in den Bücken.
Zornig wandte sich der Held um, und nun begann ein Bingen der beiden,
dasz der Fels erbebte. Siegfried risz dabei dem Biesen die alten Wunden
mit Gewalt wiederauf, so dasz ihm das Blut in Strömen herunterlief; end¬
lich bat der Unhold wieder um Gnade, aber Siegfried rief: „Das kann nicht
sein. Ich bedarf deiner nicht mehr, und nun soll dir deine Untreue ver¬
golten werden.“ Mit diesen Worten gab er dem Biesen einen Stosz, dasz
er vom Bande des Felsens hinab taumelte und in der Tiefe zerschmet¬
tert ward.
5. Wie Siegfried mit dem Drachen kämpfte.
Kriemhild hatte bei diesem schrecklichen Kampfe die Hände ge¬
rungen und zu Gott um Hülfe gerufen; auch jetzt noch zitterte und weinte
sie, aber S.egfried trat zu ihr und sprach: „Nun sei getrost, holdselige
Jungfrau; noch bin ich unbezwungen, und mit Gottes Hülfe werde ich auch
wohl dich befreien.“ Aber Kriemhild sagte: „Ich fürchte, dasz noch
schwerere Kämpfe dir kommen, als bisher “ „Ja,“ erwiderte Siegfried,
„schlimm wär’ es, wenn ich jetzt sogleich mit dem Drachen streiten sollte,
denn es ist heute der vierte Tag, dasz ich nicht gegessen und getrunken,
noch auch geschlafen habe.“ Das hörte der Zwerg Engel, und sogleich
liesz er durch eine Schar seines Volkes köstliche Speisen und Getränke
auftragen.