Full text: Preußischer Kinderfreund

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6. König kipin. 
Das war Pipin der Kleine, der stahl dem König die Krön’; 
er setzt sie auf seine Stirne und setzt sich auf den Thron. 
Da sprach er: „Ich hab’ im Reiche der edlen Grafen viel, 
zu Hofe sollen sie kommen, zu Kampf und Ritterspiel.“ 
Da zogen zu Königs Schlosse die Grafen fern und nah’ ! 
es sass Pipin der Kleine mit Krön’ und Scepter da. 
Das that’ die Herr n verdriessen ; sie sprachen’s voller Hohn : 
„„Ist er nicht unser Einer und trägt eine güldene Krön’?““ 
Das hört der König und winket; da öffnet sich das Thor: 
es treten aus dem Zwinger ein Stier, ein Leu hervor. 
Und brüllend springt der Leue da auf den Stier zuband; 
er greift ihn mit den Klauen, er reisst ihn in den Sand. 
Da rief Pipin der Kleine: „Ihr Herren, jung oder alt, 
wer wagt’s, den Stier zu retten da aus des Leuen Gewalt ?" 
Da sprachen die Grafen: ,, „Herr König, gereuen würd’ es uns schier; 
es hat so grimmen Rachen das ungethüme Thier.“ “ 
Und auf sprang da im Zorne Pipin von seinem Thron, 
warf hin den Königsmantel, warf hin die gold’ne Krön’, 
Kühn trat er in die Schranken, nicht achtend des Leuen Wuth; 
er führte so scharfe Klinge, er hegte so grimmen Muth. 
Und mit dem ersten Streiche lag da der wilde Leu; 
er lag zerspalten am Boden, als wären’s ihrer zwei. 
Und: „Bin ich euer Einer?“ so schaut der König um. 
Wie waren da im Kreise die edlen Grafen so stumm! 
Da schritt zurück der König, nahm wieder die gold’ne Krön’; 
es war Pipin der Kleine; er setzte sich auf den Thron. 
7. Kaiser Karl der Große. 
Ueber das Frankenreich, das nach und nach seine Grenzen außer Frank¬ 
reich auch über Deutschland, Holland, die Schweiz, einen Theil von 
Italien, Spanien und Ungarn ausgedehnt hatte, herrschte von 768 — 814 
n. Chr. ein gewaltiger König, Namens Karl. Er war von starkem, vollem 
Wüchse, maß sieben seiner Fußlängen und besaß eine außerordentliche Stärke. 
Einen geharnischten Mann konnte er in die Höhe heben und eine Zeit lang 
in der Schwebe halten. Die Gestalt Karls war voll hoher Würde. — Nur an 
großen Festen und wenn er Gesandte empfing, trug er ein golddurchwirktes Kleid, 
Schuhe mit Edelsteinen, eine köstliche Krone auf dem Haupte und ein mit Edel¬ 
steinen besetztes Schwert an der Seite. Gewöhnlich aber unterschied er sich in 
der Kleidung wenig von den Aermsten im Volke. Am liebsten ging er in Kleidern, 
die ihm seine Töchter gewoben hatten. 
Bei Tisch hatte er den Brauch eingeführt, aus guten Büchern vorlesen zu 
lassen. Er redete mehrere Sprachen mit großer Fertigkeit, konnte schreiben, was 
damals etwas sehr Seltenes war, und sammelte die alten Heldenlieder des deut¬ 
schen Volkes. 
Er sicherte, erweiterte und ordnete seine Länder. Mit fast unbegreisticher 
Schnelligkeit zog er vom Rhein bis an den Po, vom Po zur Weser, von da 
zum Ebro, vom Ebro zur Elbe und Ci der und plötzlich wieder zur Donau. 
Ini Ganzen machte er zwei und vierzig Feldzüge, und mit wenigen Ausnahmen 
war er überall siegreich. Am schwersten für ihn war der Krieg gegen die heid¬ 
nischen Sachsen, welche die Grenzen des Reichs unsicher machten. Erst nach 
einem dreißigjährigen Kriege brachte er sie sammt ihrem mächtigen Fürsten WGte- 
kind zur Unterwerfung und zur Annahme des Christenthuins, so dass der Same 
des christlichen Glaubens unter ihnen ungestört ausgestreut werden konnte.
	        
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