fullscreen: Realienbuch (Theil 2)

330 271. Luther in seinem häuslichen Leben und im Sterben. 
holte das Pathengeld seines jüngst geborenen Kindes 
und gab's dem Bittenden. Seine Gattin, Katharina 
von Bora, welche davon nichts wusste, merkte es 
bald an der Leere der Sparbüchse und war etwas un¬ 
gehalten über die unbedachte Freigebigkeit ihres Mannes. 
Luther aber entgegnete ihr: „Lass es gut sein! Gott 
ist reich, er wird anderes bescheren.“ 
Ein ander Mal kam ein armer Student, welcher 
nach Vollendung seiner Studien Wittenberg verlassen 
wollte und bat Luther um ein Reisegeld. Da aber 
Luther selber ohne Geld war, und auch bei seiner 
Frau vergebens darum angefragt hatte, so war die Ver¬ 
legenheit des Gebetenen, der nicht zu helfen wusste, 
fast grösser, als die des Bittenden. Plötzlich fiel Luthers 
umhersuchender Blick auf den schönen vergoldeten Becher 
von Silber, welchen er vor Kurzem vom Kurfürsten zum 
Geschenke erhalten hatte; er lief herzu, fasste das Kleinod 
und reichte es dem Studiosen. Dieser war darüber 
bestürzt und wollte nicht zugreifen, und auch Katharina 
schien durch den Entschluss ihres Mannes nicht eben an¬ 
genehm überrascht. Aber Luther machte den Ueber- 
raschungen schnell ein Ende, drückte den Becher mit 
Kraft zusammen und sprach: „Ich brauche keinen sil¬ 
bernen Becher! Da nimm ihn, trag ihn zum Gold¬ 
schmied, und was du dafür lösest, behalte!“ 
War in Luthers Hause das Mittagsmahl mit sinn¬ 
reichen Reden gewürzt, so verschönte den Abend meisten- 
theils Musik und Gesang. Wer am Abend vor Luthers 
Hause vorüberging, der konnte es deutlich und mit an¬ 
dächtiger Freude hören, dass darinnen gute Menschen 
wohnten. Luther selbst begleitete den Gesang mit Flöten¬ 
spiel oder mit der Laute. „Musika,“ pflegte er zu sagen, 
„ist das beste Labsal einem betrübten Menschen, dadurch 
das Herz wieder zufrieden, erquicket und erfrischet 
wird, sie verjaget den Geist der Traurigkeit, wie man 
am König Saul siehet. Die Jugend soll man stets zu 
dieser Kunst gewöhnen; denn sie macht feine und ge¬ 
schickte Leute.“ 
Luther war ein ebenso liebherziger als verständiger 
Vater seiner Kinder. Einst brachte ihm die Muhme 
seiner Kinder eines auf dem Arme entgegen; da segnete 
er es und sprach: „Gehe hin und sei fromm; Geld will
	        
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