die gefangene Wachtel mitziehen. Setz' ihr das beste Getreide und den
besten Salat vor, sie verschmäht deine Leckerbissen und verlangt, mit
ihren Kameraden zu ziehen. Ihr Verlangen ist so groß, daß sie die
ganze Nacht hindurch in ihrem Gefängnis hin und her läuft; ja sie
fliegt dann mit solcher Gewalt gegen die Decke ihres Käfigs, daß sie
oft besinnungslos niederfällt. Bricht der Tag an, so wird sie wieder
ruhig; aber sie ist dann traurig, müde und schläfrig. Diese Unruhe
dauert dreißig Tage fort. „O die arme Wachtel!" hör' ich dich aus¬
rufen; „warum läßt man sie nicht mit ihren Kameraden fortziehen?"
Ja, liebes Kind, wenn ich eine Wachtel hätte, und ich sähe ihr Ver¬
langen und ihre Unruhe, so müßte ich sie ziehen lassen.
2.
Aber wohin ziehen die Vögel? Und wer zeigt ihnen den Weg?
Wenn ich dich auf eine Wiese hinstellen und zu dir sagen würde: „Mach
eine Reise nach Afrika!" so würdest du mir antworten: „Ich weiß
keinen Weg." Wenn ich aber mit dir reisen wollte, so müßten wir
viele hundert Stunden weit gehen, bis wir ans Meer kämen, und dann
wären wir noch nicht in Afrika. Wir müßten ein Schiff besteigen und
noch weit übers Meer fahren. Wie wunderbar! Die Störche, die
Schwalben, die Wachteln, die Nachtigallen machen im Herbst diese weite
Reise nach Afrika, und niemand zeigt ihnen den Weg. Sie müssen über
Wälder, Berge, Flüsse und Seen, ja zuletzt übers Meer ziehen, und
doch verfehlen sie ihren Weg nicht und kommen alle wohlbehalten in
Afrika an, wenn sie auf der Reise kein Unglück trifft.
Die lange Reise beendigt die schnelle Schwalbe schon in vier bis
fünf Tagen. Dabei ruht sie des Nachts im Schilfrohr der Sümpfe
und Teiche, und wenn sie übers Meer fliegt, setzt sie sich auf die Mast¬
bäume und Segelstangen der Schiffe. Schlimmer als den Schwalben
geht es den Wachteln, welche zwar recht hurtig laufen, aber nicht gut
fliegen können. Sie ruhen oft aus, und wenn sie ans Meer kommen,
so fliegen sie von Insel zu Insel, und zwar immer auf demselben
Wege. Wenn sie auf den Inseln ankommen, sind sie vom langen
Fluge so müde, daß man sie mit den Händen sangen kann. Tausende
schlägt man tot und salzt sie ein; ganze Schwärme wirft der Sturm
ins Meer, daß sie ertrinken müssen. Und doch will keine einzige Wachtel
bei uns bleiben; alle wollen sie nach Afrika ziehen und dort den Winter
zubringen. Wenn aber bei uns der Frühling angeht, dann ziehen alle diese
Vögel wieder aus Afrika fort, und jede Schwalbe findet das Dorf, das
Haus, ja das Nest wieder, worin sie im vorigen Jahre gebrütet hat.
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