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102. Blücher in der Schlacht bei La Belle-Alliance.
Seit der Nachricht von Napoleons Landung erschien Blücher, der
nach beendigtem Feldzug einen schlichten Bürgerrock liebte, unter dem
Jauchzen des Volkes in Berlin wieder öffentlich in der Feldmarschalls¬
uniform und trieb zur energischen, kräftigen Nüstung. Ganz Deutschland,
wurde aufs neue zu den Waffen gerufen. In der Mitte des Iunius
1815 stand Blücher bereits nach raschen Märschen mit seinem Heere an
der Maas und Sambre, mit dem Hauptquartier zu Namur, den Fran¬
zosen unter dem Kaiser gegenüber. Ihm zur Seite stand die aus Eng¬
ländern, Niederländern und Deutschen gebildete Armee unter Wellington
mit dem Hauptquartier zu Brüssel. Beide Feldherren hatten sich schnelle
gegenseitige Hülse versprochen. Napoleon .warf sich zuerst auf Blüchers
Heer. Ein französischer Schriftsteller giebt als Grund an, Napoleon
habe darauf gerechnet, Blücher würde dem angegriffenen Wellington zu
Hülfe eilen, und wenn ihm nur einige Bataillone zu Gebote ständen;
Wellington dagegen würde, bevor er nicht sein Heer gesammelt habe,
Blüchern keine Hülfe bringen. Bei Ligny kämpften 130,000 Franzosen
gegen 90,000 Preußen heiß und erbittert.
Aber die Hülfe von Bülow und Wellington, in deren zuversicht¬
licher Erwartung die Schlacht angenommen worden, blieb aus. Das
Corps von Bülow und die letzten Befehle an dasselbe hatten sich ver¬
spätet. Wellington aber hatte gesäumt, seine verschiedenen Corps zu
vereinigen, und nun wurde er mit dem einen, das Blüchern zu Hülse
kommen sollte, bei Quatrebras selbst angegriffen. Kurz die 20.000
Mann, die er noch am 16ten gegen Mittag Blüchern persönlich ver¬
sprochen hatte, blieben aus. Die Franzosen erhielten das Uebergcwicht.
Da setzte sich Blücher, um, wie oftmals, durch seine persönliche Tapfer¬
keit und einen feurigen Angriff auf den rechten Punkt den siegreichen
Ausgang herbeizuführen, an die Spitze der Reiterei. Aber sie wurde
von den französischen Kürassieren geworfen. Blüchers Pferd, von tödt-
licher Kugel getroffen, stürzt und wirft sich auf den greisen Helden, der
im Falle noch ruft: „Nostitz, nun bin ich verloren!" Ihm bleibt, wäh¬
rend zuerst die Preußen und die verfolgenden Franzosen, diese im Hin¬
wege und dann auch im Rückwege, dicht an ihin vorbeisprengen, nur
sein treuer Nostitz als Schützer und Retter zur Seite. Als die Preußen
in Verfolgung 5er von ihnen zurückgeworfenen Franzosen zurückkehren,
da hält sie Nostitz schnell an. Dem Feldmarschall wird unter seiner
Bürde aus und zu einem Pferde geholfen. Es war gerade noch zur rech¬
ten Zeit; denn jetzt eben dringen die Feinde in Masse vor. Die Nieder¬
lage des Blücherschen Heeres war vollständig. Mehr als 12,000 Todte
und Verwundete und 21 Kanonen waren verloren. Aber der heroische
Muth des Feldherrn und sein Vertrauen, durch das doppelt schwere
Schicksal und selbst durch seine empfindlichen körperlichen Leiden uner¬
schüttert, ja gehoben, wendeten das Unglück zu neuem, erhöhtem Ruhm.
„Wir haben Schläge gekriegt, lieber Gneisenau, wir müssen es wieder
ausbessern." Mit diesen Worten begrüßte heiter der Greis in einer
Bauernhütte, wachend unter ringsumher Schlafenden, den eintretenden
Freund. Seine Seite war stark zerschlagen. Er litt große Schmerzen
und konnte sich nur mit großer Bejchwerde bewegen. Der Kopf und das
Herz waren gesund. Den Bericht an den König ordnete er noch selbst.'